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Shining

Shining

Titel: Shining
Autoren: Stephen King
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Schuh aus, dann den anderen, und mit einem Seufzer ließ er seine heißen Füße ins kalte Wasser hängen.
    »Nein. Aber vorhin hat einer ganz kurz angebissen.«
    »Morgen früh reden wir über ein Boot. Man muss in den See rausfahren, wenn man einen essbaren Fisch fangen will. Da draußen sind die großen, mein Junge.«
    »Wie groß?«
    Hallorann zuckte die Achseln. »Oh … Haie, Speerfische, Wale und ähnliche.«
    »Da sind keine Wale!«
    »Nein, natürlich keine Blauwale. Diese sind nicht größer als vierundzwanzig Meter. Es sind rosa Wale.«
    »Wie kommen die denn aus dem Meer hierher?«
    Hallorann fuhr dem Jungen mit der Hand durch das rötlichblonde Haar. »Sie schwimmen stromaufwärts, mein Junge. So machen die das.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich.«
    Sie schwiegen einen Augenblick und schauten auf den stillen See hinaus. Hallorann dachte nach. Als er wieder zu Danny hinübersah, hatten sich dessen Augen mit Tränen gefüllt.
    Er legte einen Arm um ihn und sagte: »Was ist denn das?«
    »Nichts«, flüsterte Danny.
    »Du vermisst deinen Vater, nicht wahr?«
    Danny nickte. »Sie wissen immer alles.« Eine Träne löste sich aus seinem Augenwinkel und rollte die Wange herab.
    »Wir können keine Geheimnisse voreinander haben«, sagte Hallorann.
    »So ist das nun einmal.«
    Dann starrte auf seine Angelrute. »Manchmal wünschte ich mir, ich wäre es gewesen. Es war meine Schuld. Alles meine Schuld.«
    »Mit deiner Mutter redest du wohl nicht gern darüber?«
    »Nein. Sie will vergessen, dass es je geschah. Ich auch, aber –«
    »Du schaffst es nicht?«
    »Nein.«
    »Musst du denn weinen?«
    Der Junge versuchte zu antworten, aber die Worte gingen in Schluchzen über. Er legte den Kopf an Halloranns Schulter und weinte. Die Tränen flossen ihm über das Gesicht. Hallorann hielt ihn fest und sagte nichts. Er wusste, der Junge würde immer wieder weinen müssen, und es war Dannys Glück, dass er noch jung genug war, es tun zu dürfen. Tränen, die heilen, sind auch die Tränen, die brennen und quälen.
    Als Danny sich ein wenig beruhigt hatte, sagte Hallorann: »Du wirst darüber hinwegkommen. Jetzt vielleicht noch nicht, aber eines Tages. Du kannst hell –«
    »Ich wünschte, ich könnte es nicht«, sagte Danny, immer noch schluchzend.
    »Du kannst es aber«, sagte Hallorann ruhig. »Ob du willst oder nicht, kleiner Junge. Aber das Schlimmste ist vorbei. Im übrigen kannst du deine Fähigkeit gebrauchen, um mit mir zu sprechen, wenn es schwierig wird. Dann komme ich.«
    »Auch wenn ich in Maryland bin?«
    »Auch dann.«
    Sie schwiegen wieder und beobachteten den Schwimmer, der zehn Meter weit draußen im Wasser trieb. Dann sagte Danny kaum hörbar:
    »Willst du mein Freund sein?«
    »So lange du willst.«
    Der Junge umarmte ihn, und Hallorann hielt ihn fest.
    »Danny? Hör mir mal zu. Ich spreche einmal mit dir darüber und dann nie wieder. Es gibt Dinge, die man einem sechsjährigen Jungen nicht erzählen sollte. Aber, wie es sein sollte und wie es ist, sind zwei verschiedene Dinge. Die Welt ist grausam, Danny. Sie kümmert sich nicht um uns. Sie hasst uns nicht, dich und mich, aber sie liebt uns auch nicht. In der Welt geschehen entsetzliche Dinge. Gute Menschen sterben schrecklich und qualvoll und lassen ihre Lieben allein zurück. Manchmal scheint es so, als ob nur die bösen Menschen gesund bleiben und Erfolg haben. Die Welt liebt dich nicht, aber deine Mommy liebt dich, und ich liebe dich auch. Du bist ein guter Junge. Du trauerst um deinen Daddy, und wenn du das Gefühl hast, weinen zu müssen über das, was mit ihm geschah, dann tu es. Geh in dein Zimmer oder zieh dir die Decke über den Kopf, bis du dich ausgeweint hast. Das muss ein guter Sohn tun. Aber versuch, für dich selbst das Leben zu meistern. Das ist deine Aufgabe in dieser grausamen Welt. Halte deine Liebe zu ihm am Leben und lass dich nicht unterkriegen, ganz gleich, was geschieht. Nimm dich zusammen und mach einfach weiter.«
    »Okay«, flüsterte Danny. »Ich werde dich im nächsten Sommer besuchen, wenn du willst … wenn es dir nichts ausmacht. Im nächsten Sommer bin ich schon sieben.«
    »Und ich bin dann zweiundsechzig. Und ich werde dich totdrücken, wenn du kommst. Aber erst muss ein Sommer vorübergehen, bevor wir für den nächsten planen.«
    »Okay.« Er sah Hallorann an. »Dick?«
    »Hmm?«
    »Du wirst doch noch lange nicht sterben?«
    »Wenigstens bemühe ich mich nicht darum. Du etwa?«
    »No, Sir. Ich –«
    »Da hat einer
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