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Shining

Shining

Titel: Shining
Autoren: Stephen King
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immer in den Gedanken seiner Eltern spürte, manchmal verschwommen und undeutlich, manchmal dunkel und drohend wie Gewitterwolken. So war es gewesen, als Daddy ihn bestraft hatte, weil er im Arbeitszimmer die Papiere ruiniert hatte und der Doktor seinen Arm in Gips legen musste. Die Erinnerung daran war verblasst, aber die Erinnerung an die Gedanken über SCHEIDUNG war klar und erschreckend. Hauptsächlich seine Mutter hatte damals diese Gedanken gehabt, und er hatte in ständiger Angst geschwebt, dass sie das Wort aussprechen und damit verwirklichen würde. SCHEIDUNG. Dieser Begriff existierte ständig unterschwellig in den Gedanken seiner Eltern. Das nahm er so deutlich wahr, wie er den Rhythmus einfacher Musik begriff. Aber wie der Rhythmus in der Musik bildete dieser zentrale Gedanke nur einen Teil einer komplexeren Gedankenwelt, die er noch nicht deuten konnte. Er nahm sie nur als Farben und Stimmungen wahr. Mommys Gedanken an SCHEIDUNG standen im Zusammenhang mit dem, was Daddy mit seinem Arm gemacht hatte, und mit den Ereignissen in Stovington, als Daddy seinen Job verlor. Dieser Junge. Dieser George Hatfield, der auf Daddy wütend war und Löcher in die Reifen stach. Daddys Gedanken an SCHEIDUNG waren komplizierter. Sie erschienen Danny dunkelviolett gefärbt und von fürchterlichen schwarzen Adern durchzogen. Daddy schien zu glauben, dass es ihnen besser gehen würde, wenn er ginge. Dass die Dinge dann nicht mehr wehtun würden. Daddy tat ihnen ständig weh, meistens, wenn er dieses Schlimme tat. Auch das nahm Danny fast immer gedanklich wahr: Daddys ständiges Verlangen, sich ins Dunkel zurückzuziehen, den Farbfernseher einzuschalten, aus einer Schale Erdnüsse zu essen und das Schlimme zu tun, bis seine Gedanken ruhig wurden und ihn in Frieden ließen.
    Aber heute Nachmittag brauchte sich Mommy keine Sorgen zu machen, und Danny wünschte, er könnte hingehen und es ihr sagen. Der Wagen war nicht liegen geblieben. Daddy war nicht irgendwohin gegangen, um das Schlimme zu tun. Er war schon fast zu Hause und tuckerte zwischen Lyons und Boulder die Straße entlang. Im Augenblick dachte er nicht einmal an das Schlimme. Er dachte an … an …
    Danny schaute sich verstohlen zum Küchenfenster um. Wenn er angestrengt nachdachte, geschah manchmal etwas mit ihm. Die Dinge – die wirklichen Dinge – verschwanden, und er sah Dinge, die gar nicht da waren. Einmal, kurz nachdem sein Arm in Gips gelegt worden war, passierte es beim Abendessen. Sie redeten wenig miteinander. Aber sie dachten nach. Oh, ja. Der Gedanke an SCHEIDUNG hing wie eine schwarze, zum Bersten gefüllte Regenwolke über dem Küchentisch. Der Gedanke, dabei zu essen, ließ ihm speiübel werden. Und weil es ihm so verzweifelt wichtig erschienen war, hatte er sich voll konzentriert, und es war etwas passiert. Als er wie der zu sich kam, lag er mit Bohnen und Kartoffelbrei beschmiert auf dem Fußboden, und seine Mommy hielt ihn fest und weinte, und Daddy telefonierte. Voll Angst hatte er versucht, ihnen zu erklären, dass ihm nichts fehlte, dass so etwas ihm manchmal passierte, wenn er sich darauf konzentrierte, die Dinge besser als sonst zu begreifen. Er hatte auch versucht, die Sache mit Tony zu erklären, den sie seinen »unsichtbaren Spielgefährten« nannten.
    Sein Vater hatte gesagt: »Er hat eine Ha luh Zi Nation. Er macht zwar keinen kranken Eindruck, aber ich möchte doch, dass der Arzt ihn sich ansieht.«
    Als der Arzt weg war, hatte Danny Mommy versprechen müssen, es nie wieder zu tun, sie nie wieder so zu erschrecken. Er war selbst erschrocken. Denn als er seine Gedanken konzentriert hatte, waren sie in die seines Daddys eingedrungen, und bevor Tony erschienen war (wie immer weit weg und aus der Ferne rufend), und bevor die Küche und der blaue Teller mit dem geschnittenen Fleisch wie ausgelöscht waren, war er in den dunklen Gedanken seines Vaters auf ein unbegreifliches Wort gestoßen, das ihn noch viel mehr entsetzte als SCHEIDUNG, und das Wort hieß SELBSTMORD. Danny hatte dieses Wort in Daddys Gedanken nie wieder gefunden, und ganz bestimmt hatte er auch nicht danach gesucht. Es war ihm auch gleich, ob er je wissen würde, was das Wort bedeutete.
    Aber er dachte gern konzentriert nach, weil dann manchmal Tony kam. Nicht immer. Manchmal verschwamm alles für eine Minute und wurde dann wieder klar – meistens jedenfalls –, und manchmal erschien dann ganz weit weg Tony und rief und winkte aus der Ferne zu ihm herüber …
    Seit ihrem
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