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Shining

Shining

Titel: Shining
Autoren: Stephen King
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ich ihm einmal direkt ins Gesicht gesagt. Ich sagte …«
    Watsons Worte hörte er auf der Treppe nur noch als tröstliches Brummen.
    Jack Torrance schaute über die Schulter zurück in die undurchdringliche, muffig riechende Dunkelheit. Wenn es je einen Ort gab, an dem es Gespenster geben müsste, dann war es dieser. Er dachte an Grady, vom weichen, unbarmherzigen Schnee eingeschlossen, bis er dann langsam durchdrehte und diese Scheußlichkeit beging. Ob sie wohl geschrien haben? überlegte er. Armer Kerl, dieser Grady. Wie muss ihm das alles zugesetzt haben, bis er erkannte, dass es für ihn keinen Frühling mehr geben würde. Er hätte den Job nicht übernehmen sollen. Und nie im Leben hätte er die Beherrschung verlieren dürfen.
    Als er Watson durch die Tür ins Freie folgte, dröhnte wie mit Totenglocken das Echo jener Worte über ihn hinweg, begleitet von einem scharfen Knacken – als zerbräche ein Bleistift. Mein Gott, er konnte einen Drink gebrauchen. Vielleicht tausende.

 
4
     
    SCHATTENLAND
     
    Danny wurde weich und ging um Viertel nach vier rauf, um seine Milch zu trinken und seine Kekse zu essen. Genüsslich kaute er sie und schaute dabei aus dem Fenster. Dann ging er zu seiner Mutter, die sich hingelegt hatte, und küsste sie. Sie riet ihm, sich ›Sesamstraße‹ anzusehen – die Zeit würde dann schneller vergehen –, aber er schüttelte entschlossen den Kopf, ging nach unten und setzte sich wieder an den Bordstein. Es war fünf, und, obwohl er keine Uhr hatte und es mit dem Zeitablesen bei ihm ohnehin noch nicht recht klappte, merkte er an den länger werdenden Schatten, wie die Zeit verging. Und er sah, wie die Nachmittagssonne sich rotgolden verfärbte.
    Er nahm sein Segelflugzeug in die Hand und fing an, leise vor sich hinzusingen.
    Ein Kinderlied, das er zusammen mit den anderen im Jack-and-Jill-Kindergarten in Stovington gesungen hatte. Hier konnte er nicht in den Kindergarten gehen, denn das konnte Daddy nicht mehr bezahlen. Er wusste, dass seine Eltern sich darüber Sorgen machten, dass sie wussten, wie einsam er sich fühlte (und noch schmerzlicher, wenn sie es auch nicht erwähnten, empfanden sie, dass Danny ihnen die Schuld gab), aber eigentlich hatte er sowieso keine Lust mehr, in den Jack-and-Jill-Kindergarten zu gehen. Er war ja kein Baby mehr. Natürlich war er noch kein großer Junge, aber ein Baby? Nein. Größere Kinder gingen in eine richtige Schule und kriegten warmes Mittagessen. Bald fing auch für ihn die Schule an. Nächstes Jahr. Noch war er ein Mittelding zwischen einem Baby und einem richtigen Kind. Das war weiter nicht schlimm. Allerdings vermisste er Scott und Andy – am meisten Scott –,aber auch das war nicht so schlimm. Er musste abwarten. Irgend etwas würde schon geschehen.
    Er durchschaute seine Eltern besser, als ihnen lieb war. Sie wollten es nicht wahrhaben, aber eines Tages würden sie es glauben müssen. Er konnte warten.
    Eigentlich schade, dass sie es nicht glaubten. Besonders jetzt. Mommy lag oben im Bett und weinte, weil sie sich wegen Daddy Sorgen machte. Einige dieser Sorgen verstand Danny nicht – er wusste nur vage, dass es um Sicherheit ging, um Daddys Selbsteinschätzung, um Schuldgefühle, um Wut und um Angst vor der Zukunft –, aber hauptsächlich machte sie sich jetzt um zwei Dinge Sorgen: Hatte Daddy vielleicht unterwegs eine Panne gehabt (warum rief er dann nicht an?), oder hatte er wieder etwas ganz Schlimmes getan? Was dieses Schlimme war, wusste Danny genau, seit Scotty Aaronson, der ein halbes Jahr älter war, es ihm erklärt hatte. Scottys Vater tat dieses Schlimme auch. Einmal, so erzählte Scotty, hatte sein Daddy seine Mommy direkt ins Auge geboxt und sie niedergeschlagen. Dieses Schlimme war es auch, das zur SCHEIDUNG zwischen seinen Eltern führte, und als Danny ihn kennen lernte, lebte er bei seiner Mutter und besuchte seinen Daddy nur am Wochenende. SCHEIDUNG war der größte Schrecken in Dannys Leben, und das Wort stand ihm immer als in roten Lettern gemaltes, von bösartig zischenden Schlangen umgebenes Zeichen vor Augen. Nach einer SCHEIDUNG lebten die Eltern nicht mehr zusammen. Sie stritten sich vor Gericht um das Kind, und man musste bei einem von beiden bleiben und sah den anderen praktisch nie, und derjenige, bei dem man lebte, konnte jederzeit einen fremden Menschen heiraten. Das Entsetzliche an SCHEIDUNG war, dass er das Wort – oder den Begriff oder als was es auch immer in seiner Vorstellung herumgeisterte –
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