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Shining Girls (German Edition)

Shining Girls (German Edition)

Titel: Shining Girls (German Edition)
Autoren: Lauren Beukes
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Männer. Das ist das Ende von Amerika.
    Aber versuch das mal einem «Major» Klayton und seinem Trupp Schwanzlutscher-Bürgerwehr beizubringen, die so aufgeblasen tun, als würde ihnen ganz Hooverville gehören. Es gibt eben kein Gesetz hier. Genau wie es kein Geld gibt. Keine Selbstachtung. Er hat die Zeichen gesehen – und nicht nur die Schilder, auf denen «Zwangsversteigert» stand. Seien wir ehrlich, denkt er, Amerika hat es nicht anders verdient.
    Ein blasser Lichtstrahl schwenkt über den Strand, bleibt an den Fußabdrücken hängen, die er im Sand hinterlassen hat. Aber dann schwingt die Taschenlampe in eine andere Richtung herum, und die Tür der Baracke öffnet sich, sodass es ganz hell wird. Eine magere Ratte von einer Frau kommt heraus. Ihr Gesicht ist hager und grau im Schein der Petroleumlampe – wie alle Gesichter hier –, als würden die Staubstürme den Leuten draußen auf dem Land alle individuellen Charakterzüge aus dem Gesicht blasen, während sie zugleich ihre Ernten vernichten.
    Ein drei Nummern zu großes, dunkles Jackett hängt wie ein Schal über ihren knochigen Schultern. Dicke Wolle. Es sieht warm aus. Er weiß, dass er es der Frau wegnehmen wird, noch bevor er mitbekommt, dass sie blind ist. Ihr Blick ist leer. Ihr Atem riecht nach Kohl, und in ihrem Mund verfaulen die Zähne. Sie streckt die Hand aus, um ihn zu berühren. «Was ist?», fragt sie. «Was ist das für ein Geschrei?»
    «Tollwütiger Hund», sagt Harper. «Die Männer jagen ihn. Sie sollten wieder reingehen, Ma’am.» Er könnte ihr einfach das Jackett von den Schultern nehmen und verschwinden. Aber sie könnte schreien. Sie könnte sich gegen ihn wehren.
    Sie packt ihn am Hemd. «Moment», sagt sie. «Sind Sie das? Sind Sie Bartek?»
    «Nein, Ma’am. Das bin ich nicht.» Er versucht, den Griff ihrer Finger zu lösen. Ihre Stimme hebt sich auf eine drängende Art. Die Art, die leicht Aufmerksamkeit erregt.
    «Sie sind es. Sie müssen es sein. Er hat gesagt, Sie würden kommen.» Sie ist beinahe hysterisch. «Er hat gesagt, er würde …»
    «Schsch, schon gut», sagt Harper. Es kostet ihn keinerlei Anstrengung, seinen Unterarm an ihre Kehle zu heben und sie mit seinem ganzen Gewicht rücklings an den Schuppen zu drücken. Nur damit sie still ist, sagt er sich. Man schreit nicht so leicht, wenn einem die Luftröhre zugedrückt wird. Ihre Wangen blähen sich auf, mit einem Ploppen öffnet sich ihr Mund. Ihre Augen treten hervor. Protestierendes Röcheln dringt aus ihrem Rachen. Sie krallt ihre Hände in sein Hemd, als würde sie Wäsche auswringen, aber dann fallen ihre Hühnerknochenfinger herunter, und sie sackt gegen die Wand. Er folgt ihrer Bewegung mit seinem Körper, lässt sie sanft hinuntergleiten, und auch das Jackett zieht er ihr sanft von den Schultern.
    Ein kleiner Junge starrt ihn aus der Türöffnung des Schuppens an, seine Augen sind groß genug, um jemanden zu verschlingen.
    «Was glotzt du so?», zischt Harper den Jungen an und schiebt seine Arme in die Jackettärmel. Es ist ihm zu groß, aber das macht nichts. In der einen Tasche klimpert etwas. Loses Kleingeld, wenn er Glück hat. Aber es wird sich als etwas ganz anderes herausstellen.
    «Geh rein. Hol deiner Mutter ein bisschen Wasser. Es geht ihr nicht gut.»
    Der Junge starrt ihn an, und dann, ohne seinen Gesichtsausdruck zu ändern, öffnet er den Mund und stößt ein schrilles Jammern aus, das die gottverdammten Taschenlampen anlockt. Lichtstrahlen zucken über die Tür und die am Boden liegende Frau, aber da rennt Harper schon. Einer von Klaytons Kumpanen – oder vielleicht ist es auch der selbsternannte Major persönlich – ruft: «Dort!», und die Männer hetzen hinter ihm her Richtung Strand.
    Er flitzt durch das Gewirr der Baracken und Zelte, die ohne Sinn und Verstand errichtet wurden, dicht gedrängt, zwischen ihnen ist kaum Platz genug für eine Schubkarre. Da haben sogar Insekten noch mehr Selbstkontrolle, denkt er, während er hinter einem Schuppen abbiegt und Richtung Randolph Street rennt.
    Er verlässt sich nicht auf Leute, die sich wie Termiten benehmen.
    Er tritt auf eine Abdeckplane und fällt in eine Grube von der Größe eines Wandschranks, aber beträchtlich tiefer, aus der Erde gehackt, wo sich jemand den Anschein eines Zuhauses eingerichtet und als Dach einfach eine Abdeckung in den Boden genagelt hat.
    Er kommt schwer auf, seine linke Ferse knallt mit einem scharfen Ton – als würde eine Gitarrensaite reißen –
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