Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shining Girls (German Edition)

Shining Girls (German Edition)

Titel: Shining Girls (German Edition)
Autoren: Lauren Beukes
Vom Netzwerk:
Deshalb hat er es ja überhaupt mitgebracht, oder? Er wird kurz unsicher.
    «Was ist das?»
    «Ein Pony. Siehst du das nicht? Ist ein Pony nicht viel besser als so eine langweilige Hummel?»
    «Es ist nicht lebendig.»
    «Das weiß ich. Verdammt. Jetzt nimm’s einfach, okay? Es ist ein Geschenk.»
    «Ich will es nicht», sagt sie schniefend.
    «Okay, es ist kein Geschenk, es ist ein Pfand. Du passt für mich darauf auf. Wie bei der Bank, wenn du ihnen dein Geld gibst.» Die Sonne brennt herunter. Es ist zu heiß, um ein Jackett zu tragen. Er kann sich kaum konzentrieren. Er will es nur hinter sich bringen. Die Hummel fällt von der Tasse und liegt auf dem Rücken im Gras, ihre Beine strampeln in der Luft.
    «Ich überlege.»
    Er ist schon wieder ruhiger. Alles ist, wie es sein soll. «Also, pass darauf auf, okay? Das ist wirklich wichtig. Ich komme wieder, um es abzuholen. Verstehst du?»
    «Warum?»
    «Weil ich es brauche. Wie alt bist du?»
    «Sechsdreiviertel. Fast sieben.»
    «Das ist toll. Wirklich toll. Jetzt geht’s los. Eine Runde nach der anderen, wie bei deinem Riesenrad. Wir sehen uns wieder, wenn du groß geworden bist. Halt Ausschau nach mir, okay, Herzchen? Ich komme zu dir zurück.»
    Er steht auf, klopft sich den Staub vom Hosenbein. Er dreht sich um und geht eilig über das Grundstück, ohne sich umzudrehen, nur ganz leicht hinkend. Sie beobachtet ihn, wie er die Straße überquert und Richtung Bahnlinie hinaufgeht, bis er zwischen den Bäumen verschwindet. Sie betrachtet das Plastikspielzeug, das noch feucht ist von seinem Griff, und ruft hinter ihm her: «He! Ich will dein blödes Pferd nicht!»
    Sie wirft es auf den Boden, und es prallt einmal ab, bevor es neben ihrem Fahrradreifen-Riesenrad liegen bleibt. Sein aufgemaltes Auge starrt ausdruckslos auf die Hummel, die sich aufgerichtet hat und sich durch den Staub wegschleppt.
    Aber die Kleine wird später wiederkommen, um das Pony zu holen. Natürlich macht sie das.

Harper
    20 . November 1931
    Der Sand gibt unter ihm nach. Es ist überhaupt kein Sand, sondern stinkender, eiskalter Matsch, der in seine Schuhe quillt und seine Socken durchnässt. Harper flucht leise vor sich hin, er will nicht, dass ihn die Männer hören. Er hört ihre Rufe in der Dunkelheit. «Siehst du ihn? Hast du ihn erwischt?» Wenn das Wasser nicht so verdammt kalt wäre, würde er es riskieren hinauszuschwimmen, um ihnen zu entkommen. Aber er zittert auch so schon heftig unter dem Wind, der vom Lake Michigan herüberstreicht und ihm unters Hemd fährt, weil er seine Jacke, vollgeschmiert mit dem Blut dieses Arschlochs, hinter der Kneipe zurückgelassen hat.
    Er watet über den Strand, sucht sich einen Weg zwischen dem Müll und dem verrottenden Gerümpel, der Schlamm saugt an jedem seiner Schritte. Er kauert sich hinter eine Baracke am Wasser. Sie besteht aus Packkisten, die mit Dachpappe zusammengehalten werden. Licht dringt durch die Spalten und die Flickstellen aus Karton, sodass es aussieht, als würde das ganze Ding glühen. Er versteht nicht, warum die Leute so nahe am See bauen – als würden sie denken, das Schlimmste wäre ihnen schon passiert und es könnte nicht weiter abwärts gehen. Als wüssten sie nicht, dass die Leute an den seichten Stellen hinscheißen. Als wüssten sie nicht, dass der See bei solchen Regenfällen über die Ufer treten und die ganze verdammte, stinkende Hooverville wegspülen könnte. Diesen Slum, die Heimstatt der Vergessenen, denen sich das Unglück bis auf die Knochen gefressen hat. Niemand würde sie vermissen. Genauso wenig, wie irgendjemand den verdammten Jimmy Grebe vermissen wird.
    Er hat nicht damit gerechnet, dass Grebe dermaßen bluten würde. Dazu wäre es auch nicht gekommen, wenn der Bastard fair gekämpft hätte. Aber er war fett und besoffen und verzweifelt. Konnte keinen Schwinger landen, also hatte er versucht, Harper an den Eiern zu packen. Harper hat gespürt, wie der Hurensohn mit seinen dicken Fingern nach seiner Hose griff. Wenn einer fies kämpft, muss man sich noch fieser wehren. Es ist nicht Harpers Schuld, dass diese gezackte Glasscherbe eine Arterie erwischt hat. Er hatte schließlich auf Grebes Gesicht gezielt.
    Und das alles wäre überhaupt nicht passiert, wenn dieser kranke Dreckskerl nicht angefangen hätte, auf die Karten zu husten. Grebe hatte den blutigen Schleim mit dem Ärmel weggewischt, klar, aber jeder wusste, dass er Tbc hatte und ansteckend war. Krankheiten und Pleiten und durchdrehende
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher