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Shining Girls (German Edition)

Shining Girls (German Edition)

Titel: Shining Girls (German Edition)
Autoren: Lauren Beukes
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schon eins», sagt Kirby genervt. «Es ist orange. Es hat Schmetterlinge auf dem Hintern und braune Augen und eine goldene Mähne, und es sieht, mmh, irgendwie bekifft aus.»
    Ihre Mutter wirft ihr einen Blick über die Schulter zu, anscheinend begeistert von der Vorstellung. «Kirby! Hast du etwas gestohlen?»
    «Nein! Es war ein Geschenk. Ich wollte es nicht mal haben.»
    «Dann ist es okay.» Ihre Mutter reibt sich mit dem Handballen die Augen und verschmiert dabei ihre Wimperntusche zur Einbrechermaske.
    «Also kann ich es behalten?»
    «Natürlich kannst du das. Du kannst fast alles tun, was du willst. Vor allem mit Geschenken. Du kannst sie sogar in eine Million Scherben zerbrechen.» Wie die Vase im Flur, denkt Kirby.
    «Okay», sagt sie ernst. «Deine Haare riechen komisch.»
    «Und das sagst ausgerechnet du?» Das Lachen ihrer Mutter tanzt wie ein Regenbogen durchs Zimmer. «Wann hast du dir denn das letzte Mal die Haare gewaschen?»

Harper
    22 . November 1931
    Das Mercy Hospital wird seinem Namen nicht gerecht. Barmherzigkeit, von wegen. «Können Sie bezahlen?», fragt die müde wirkende Frau am Empfang durch ein rundes Loch in der Glasscheibe. «Zahlende Patienten kommen zuerst dran.»
    «Wie lange ist die Wartezeit?», knurrt Harper.
    Die Frau neigt den Kopf zur Seite, um zum Wartebereich zu schauen. Es gibt nur Stehplätze, wenn man von den Leuten absieht, die halb ohnmächtig auf dem Boden sitzen oder liegen, zu krank oder zu erschöpft oder zu gottverdammt gelangweilt, um sich auf den Beinen zu halten. Ein paar sehen auf; mit Hoffnung oder Wut oder einer unerträglichen Mischung aus beidem im Blick. Die anderen haben den gleichen resignierten Ausdruck, den Harper bei Ackergäulen gesehen hat, die aus dem letzten Loch pfiffen, mit Rippen, die so weit vorstanden wie die Grate zwischen den Furchen der unfruchtbaren Erde, durch die sie den Pflug zogen. Solchen Pferden verpasst man den Gnadenschuss.
    Er tastet in der Tasche des gestohlenen Jacketts nach dem Fünf-Dollar-Schein, den er darin gefunden hat, zusammen mit einer Sicherheitsnadel, drei Zehn-Cent-Münzen, zwei Vierteldollars und einem Schlüssel, der sich auf eine vertraute Art abgegriffen anfühlt. Oder vielleicht hat er sich auch nur an Abnutzung und Verfall gewöhnt.
    «Reicht das für Ihr Mitleid, Sweetheart?», fragt er und schiebt den Geldschein durch das Fenster.
    «Ja.» Sie hält seinem Blick stand, wie um zu erklären, dass sie sich nicht dafür schämt, etwas zu berechnen, obwohl allein schon dieses Verhalten das Gegenteil ausdrückt.
    Sie läutet mit einer kleinen Klingel, und eine Krankenschwester kommt, um ihn abzuholen, ihre zweckmäßigen Schuhe klatschen aufs Linoleum.
E. Kappel
steht auf ihrem Namensschild. Sie ist hübsch, auf eine gewöhnliche Art, mit rosigen Wangen und sorgfältig eingedrehten kastanienbraunen Locken unter ihrem weißen Häubchen. Abgesehen von ihrer Nase, die zu stark aufwärts gebogen ist, sodass sie an eine Schweineschnauze erinnert. Kleines Schweinchen, denkt er.
    «Kommen Sie mit», sagt sie, verärgert über seine bloße Anwesenheit. Schon ordnet sie ihn als das nächste Stück menschlichen Müll ein. Sie dreht sich um und geht mit großen Schritten weg, sodass er hinter ihr herholpern muss. Jeder Schritt lässt ihm Schmerzen in die Hüfte schießen wie eine chinesische Rakete, aber er ist fest entschlossen durchzuhalten.
    Sämtliche Stationen, durch die sie kommen, sind an der Grenze ihrer Aufnahmekapazität, manchmal liegen sogar zwei Leute, den Kopf neben den Füßen des anderen, in einem Bett. All die Krankheiten darin quellen heraus.
    Immer noch nicht so schlimm wie die Feldlazarette, denkt er. Verstümmelte Männer, die sich in dem Gestank von Verbrennungen und Wundfäule und Exkrementen und Erbrochenem und sauren Fiebergerüchen auf blutverkrusteten Pritschen drängen. Das unaufhörliche Stöhnen wie ein schauriger Chor.
    Da fällt ihm dieser Junge aus Missouri wieder ein, dem das Bein abgeschossen wurde. Der wollte einfach nicht aufhören zu schreien, hielt sie allesamt wach, bis Harper zu ihm hinüberschlich, als wolle er ihn trösten. Aber in Wahrheit stach er dem dummen Jungen sein Bajonett in den Oberschenkel oberhalb des blutigen Stumpfs und schnitt ihn säuberlich auf, um die Arterie zu verletzen. Genau wie er es in der Ausbildung an den Strohpuppen geübt hatte. Zustechen und drehen. Jemanden so direkt anzugreifen, hatte Harper immer persönlicher gefunden, als eine Kugel
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