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Shining Girls (German Edition)

Shining Girls (German Edition)

Titel: Shining Girls (German Edition)
Autoren: Lauren Beukes
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abzuschießen. Es machte den Krieg erträglicher.
    Aber hier ist Fehlanzeige, was das angeht, vermutet er. Allerdings gibt es noch andere Methoden, um anstrengende Patienten loszuwerden. «Sie sollten das schwarze Fläschchen holen», sagt Harper, bloß um die pummelige Krankenschwester zu provozieren. «Die würden sich sogar noch bei Ihnen bedanken.»
    Sie schnaubt verächtlich, während sie ihn an den Türen der Privatstation vorbeiführt, sauberen Einzelzimmern, die zum größten Teil leerstehen. «Führen Sie mich nicht in Versuchung. Ein Viertel des Krankenhauses ist zur Zeit das reinste Pesthaus. Typhus, Infektionen. Gift wäre ein Segen. Aber lassen Sie bloß keinen der Chirurgen hören, dass Sie von schwarzen Fläschchen reden.»
    Durch eine offene Tür sieht er eine junge Frau in einem Bett liegen, das von einem Blumenmeer umgeben ist. Sie sieht aus wie ein Filmstar, obwohl es inzwischen schon über zehn Jahre her ist, dass Charlie Chaplin von Chicago nach Kalifornien gezogen ist und die gesamte Filmindustrie mitgenommen hat. Ihr Haar liegt in schweißverklebten blonden Ringellöckchen um ihr Gesicht, das in dem fahlen Wintersonnenlicht, das durch die Fenster hereindringt, noch blasser aussieht. Aber als Harper vor der Tür stehen bleibt, schlägt sie mit flatternden Lidern die Augen auf. Sie setzt sich halb auf und lächelt ihn strahlend an, als hätte sie ihn erwartet und würde ihn willkommen heißen, damit er sich ein Weilchen zu ihr setzt und mit ihr redet.
    Aber davon will Schwester Kappel nichts wissen. Sie packt ihn am Ellbogen und zieht ihn weiter. «Kein Herumgegaffe. Das Letzte, was dieses Flittchen braucht, ist noch ein Bewunderer mehr.»
    «Wer ist sie?» Er wirft einen Blick über die Schulter.
    «Niemand. Eine Nackttänzerin. Die kleine Idiotin hat sich selbst mit Radium vergiftet. Das ist ihre Show, sie malt sich damit an, damit sie im Dunkeln leuchtet. Keine Sorge, sie wird bald entlassen, dann können Sie so viel von ihr sehen, wie Sie nur wollen. Sogar
alles
, nach dem, was ich so gehört habe.»
    Sie führt ihn in den strahlend weißen, nach scharfen Desinfektionsmitteln riechenden Behandlungsraum. «Jetzt setzen Sie sich hierhin, und wir sehen uns an, was Sie angestellt haben.»
    Er steigt ungeschickt auf die Behandlungsliege. Konzentriert runzelt sie die Stirn, als sie die schmutzigen Lappen wegschneidet, die er so eng um Knöchel und Ferse gewickelt hat, wie er es ertragen konnte.
    «Sie sind ein Dummkopf, wissen Sie das eigentlich?» Ihr ist klar, dass sie mit diesem Ton bei ihm durchkommt, das zeigt das kleine Lächeln um ihre Mundwinkel. «So lange mit dem Herkommen zu warten! Haben Sie geglaubt, das würde von allein besser werden?»
    Sie hat recht. Dass er die letzten beiden Nächte unbequem geschlafen hat, macht es noch schlimmer. Er hat in einem Eingang kampiert, mit einem Karton als Unterlage und dem gestohlenen Jackett als Decke, weil er nicht zu seinem Zelt zurückgehen kann, denn dort warteten wahrscheinlich Klayton und seine Handlanger mit ihren Rohren und Hämmern auf ihn.
    Die sauberen Scherenklingen arbeiten sich schnipp-schnipp durch den Lumpenverband, der weiße Rillen in Harpers geschwollenen Fuß gepresst hat, sodass er aussieht wie ein abgebundener Schinken. Und, wer ist jetzt das kleine Schweinchen? Echt dämlich, denkt er bitter, dass er ohne irgendeine dauerhafte Verletzung durch den ganzen Krieg gekommen ist und jetzt durch den Sturz in den Unterschlupf eines Landstreichers zum Krüppel wird.
    Der Arzt rauscht ins Zimmer, ein älterer Mann mit gemütlich gepolstertem Bauch und dichtem grauem Haar, das hinter die Ohren gestrichen ist wie eine Löwenmähne.
    «Und, wo fehlt’s uns heute, Sir?» Die Frage wirkt durch das begleitende Lächeln nicht weniger herablassend.
    «Tja, ich bin jedenfalls nicht mit Leuchtfarbe angemalt im Dunkeln herumgetanzt.»
    «Und dazu werden Sie so bald auch kaum Gelegenheit haben, wie es aussieht», sagt der Arzt, immer noch lächelnd, als er den geschwollenen Fuß zwischen die Hände nimmt, um ihn hin und her zu drehen. Er duckt sich hastig, beinahe profimäßig, als Harper vor Schmerz brüllt und in seine Richtung ausholt.
    «Das lassen Sie lieber, Sportsfreund, wenn Sie nicht hochkant rausfliegen wollen», der Arzt grinst, «ob Sie bezahlen oder nicht.» Als er den Fuß dieses Mal auf und ab bewegt, auf und ab, beißt Harper die Zähne zusammen und ballt die Hände zu Fäusten, damit er nicht um sich schlägt.
    «Können Sie die
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