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Sherlock Holmes und die Shakespeare-Verschwörung (German Edition)

Sherlock Holmes und die Shakespeare-Verschwörung (German Edition)

Titel: Sherlock Holmes und die Shakespeare-Verschwörung (German Edition)
Autoren: J. J. Preyer
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muß natürlich die Ordnung der Welt am Ende des Stückes wiederherstellen. Die vergewaltigenden Brüder werden geschlachtet und bei einem Festmahl der eigenen Mutter in Form von Pasteten zum Verzehr vorgesetzt. Titus Andronicus tötet die entehrte, verstümmelte Tochter, die Kaiserin wird …«
    »Genug, genug. Gnade!«, unterbrach sie der Doktor.
    »Um dem Genie Shakespeares gerecht zu werden«, wandte Myra ein, »muß ich anmerken, daß manche Titus Andronicus in seiner Roheit und seiner Unmittelbarkeit als Meisterwerk betrachten. Der Regisseur der Aufführung zum Beispiel. Sie werden ihn morgen im Theater kennenlernen.«
    »Noch einen Tee, Miss Myra?«
    »Nein, ich muß nach Hause. Ich habe einen kleinen Jungen, der auf mich wartet.« »Sie sind verheiratet?«, fragte Watson. »Nein. Mein Freund, der Regisseur von Titus Andronicus, und ich waren nie verheiratet und leben jetzt getrennt, aber freundschaftlich verbunden.«
    »Kann ich Sie begleiten?«, fragte Watson. »Machen wir es umgekehrt. Ich bringe Sie zurück in Ihr Hotel.«
    Vor dem Hotel stand eine Tafel, die auf eine Theatervorstellung im Festsaal des Hauses hinwies: ›Im Gurt der Ordnung‹, aufgeführt von drei Schauspielern des Memorial Theaters.
    »Das sollten Sie sich nicht entgehen lassen, wo Sie schon in Stratford sind, Doktor. Eine hoch amüsante Angelegenheit.«
    »Ein Shakespeare-Zitat?«
    »Im Gurt der Ordnung?«
    Watson nickte bestätigend.
    »Ein Zitat aus Macbeth. Shakespeare war sich als Künstler der Enge der Ordnung schmerzhaft bewußt. Aber er war auch ein Verfechter derselben. In seinen Tragödien kommen, wie in Titus Andronicus, alle um, die die Ordnung stören. Am Ende der Stücke liegen die Leichen zuhauf auf der Bühne. In den Komödien überleben die Figuren, die gegen die Ordnung verstoßen, zwar körperlich, aber sie sind seelisch gebrochen.«
    »Indem man sie bloßstellt in ihren lächerlichen Wünschen.«
    »Ja, Doktor. So ist es.«
    »Und damit es mir nicht ebenso geht wie den alten Narren seiner Stücke, die sich in junge Mädchen verlieben, verabschiede ich mich nun rasch von Ihnen, Miss Myra. Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen noch!«
    »So war es nicht gemeint, Doktor. Ich wollte wirklich nur …«
    »Ich weiß.«
     
    Den Rest des Tages verbrachte Watson in seinem Zimmer. Er widmete sich mit einigem Genuß seiner Shakespeare-Lektüre.
    Gegen acht Uhr am Abend, nach einem Telefongespräch mit seiner Frau und nach dem telefonischen Bericht an Holmes in Sussex, genehmigte er sich einen Whisky-Soda an der Hotel-Bar, dem einzig ruhigen Platz im Hotel an jenem Abend.
    Aus dem vollbesetzten Festsaal drangen bereits die Stimmen der Schauspieler und das übermütige Lachen des Publikums. Die gute Laune der Menschen zog den Doktor magisch an.
    Zu lachen hatte er bisher wenig gehabt, seit Holmes ihn nach Stratford beordert hatte, also verfolgte er mit Interesse die Theateraufführung. Fulminant kämpften sich die drei Schauspieler durch Szenen aus den Komödien des Dramatikers.
    Das schlaue Kammermädchen Maria aus »Was ihr wollt« hatte erkannt, wie sie den arroganten Haushofmeister Malvolio zum Narren machen konnte. Aber wofür die bittere Bestrafung? Der alte Mann, von Charles Wolseley mit geradezu dämonischer Arroganz gespielt, war verliebt in seine Herrin, die von einem sehr jungen Mann namens Tom Bedlam verkörpert wurde. Er verletzte die Ordnung gleich zweifach: in sozialer Hinsicht und in der Liebe. Ein alter Mann darf keine junge Frau lieben! Punkt.
    War nicht auch seine Frau Elsa um einiges jünger als er, überlegte der Doktor. Und doch: Sie war die Richtige für ihn – Shakespeare hin oder her!
    Der stolze Haushofmeister fand einen gefälschten Brief, der ihn hoffen ließ, daß sich die junge Herrin in ihn verliebt hatte. Besonders an ihm, so schrieb das boshafte Kammermädchen, liebe die Gräfin sein Lächeln. Wenn er nur etwas öfter lächeln würde und etwas modischer gekleidet wäre.
    Malvolio, der von nun an in Gegenwart seiner Angebeteten ständig lächelte und sich leuchtend gelbe Strümpfe zugelegt hatte, machte sich so sehr zum Narren, daß sich die Gräfin nicht anders zu helfen wußte, als ihn in einen Kohlenkeller werfen zu lassen.
    Charles Wolseley bekam mehrfach Szenenapplaus für seine grandiose schauspielerische Leistung, und Watson begann sich zu wundern, ob nicht auch sein Gewaltausbruch bei der Hochzeit seiner Tochter nur gut gespielt gewesen sei.
    An einem anderen unattraktiven Ort landete in
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