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Shelter Bay - 02 - Furienlied

Shelter Bay - 02 - Furienlied

Titel: Shelter Bay - 02 - Furienlied
Autoren: Lisa Papademetriou
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Oberfläche glatt wie ein Spiegel vor ihr lag. Es gab nicht den geringsten Hinweis auf die kleinen Fische und Krebse, die darin lebten, und Zoe stellte sich vor, dass sie noch schliefen und ihre wässrigen Träume träumten.
    Sie zog an ihrem T-Shirt, das klamm von Schweiß und Nebel an ihr klebte, dann hob sie einen kleinen Stein auf. Er war grau mit einem weißen Strich in der Mitte, oval und ganz glatt. Vor Jahren hatte Tim ihr beigebracht, einen Stein über das Wasser hüpfen zu lassen. Sie hielt ihn zwischen Daumen und Zeigefinger und flippte ihn über das Wasser. Er tupfte einmal auf, zweimal, dreimal, bevor er beim vierten Mal mit einem leisen »Plopp« eintauchte und versank.
    »Tim hat sieben geschafft«, murmelte Zoe, dann lehnte sie sich zurück und stützte sich auf die Ellenbogen. Vor ihrem inneren Auge tauchte ein Bild von Tim als Zehnjähriger auf, ein hübscher Junge, der mit einem breiten Grinsen im Gesicht zusah, wie sein Stein über das Wasser tanzte. Der arme Will hingegen versenkte seine Steine ein ums andere Mal beim ersten Auftreffen wie Kanonenkugeln.
    Zoe beobachtete, wie sich die Ringe um den Punkt ausbreiteten, an dem der Stein untergegangen war. Hübsch, dachte sie, als der Nebel langsam wieder hereinzog wie eine behäbige Welle. Eine fahle Scheibe erschien an der Stelle, an der Zoes Stein die Wasseroberfläche durchdrungen hatte. Zoe richtete sich neugierig auf. In dem Moment kam ein heftiger Wind auf und um den Rand der Scheibe bildete sich ein Ring, der nicht wieder verschwand. Im Gegenteil: Je stärker der Wind blies, desto dunkler wurde er. Die Mitte leuchtete golden im Morgenlicht.
    Wie ein Auge, dachte Zoe. Sie fröstelte und spürte das klamme T-Shirt jetzt nur allzu deutlich auf ihrer Haut.
    Nebelschwaden wirbelten um den dunklen Ring, schlängelten sich aufwärts, bis sie eine ovale Wand bildeten, die dicker wurde und sich wie eine Säule in die dunkle Wolke über ihr reckte. Der Zyklon begann, sich zu winden, dann glitt er behäbig auf sie zu. Zoe saß regungslos da, vollkommen hypnotisiert von der Wasserhose, die sich zunächst langsam, dann immer schneller auf sie zubewegte. Mit einem Mal setzte ihr Gehirn wieder ein und sie versuchte hastig, auf die Beine zu kommen. Sie stolperte rückwärts, stürzte zu Boden und riss sich das Bein am Felsen auf, genau an der Stelle, an der sie kurz zuvor der Stein getroffen hatte, der von dem Lastwagen aufgewirbelt worden war. Das Haar flatterte ihr ums Gesicht, als der Wind aufheulte wie ein wilder Dämon.
    Die Wasserhose streckte sich nach ihr aus und für einen Augenblick meinte Zoe, das Gesicht einer Frau – fratzenhaft und schrecklich – in ihrem wirbelnden Inneren zu sehen. Gleißend goldene Augen funkelten sie mit einem Ausdruck abgrundtiefen Hasses an und der Wind zerrte an ihren Haaren wie der wilde, kalte Atem einer bösartigen, alles verschlingenden Bestie. Zoe schrie und versuchte zurückzuweichen, während die Wasserhose immer näher kam. Doch in dem Moment, als der Zyklon das Ufer erreichte, löste er sich auf und verschwand genauso schnell, wie er entstanden war. Zoe hielt mitten in der Bewegung inne und starrte ungläubig in die plötzliche Leere. Sie war so vertieft in den Anblick, dass sie aufschrie, als sich eine Hand um ihren Oberarm legte.
    »Ganz ruhig«, sagte eine Stimme.
    Zoe sah auf und blickte in die warmen braunen Augen von Bertrand Archer – Wills Dad. Er runzelte besorgt die Stirn. »Die können nicht mehr viel Schaden anrichten, sobald sie das Ufer erreicht haben.«
    »Sie haben es gesehen?« Das war eine Erleichterung. Wenigstens hatte sie nicht halluziniert.
    »Wasserhosen sind hier keine Seltenheit. Hab schon ’n paar von den Dingern gesehen.«
    Als Mr Archer ihren Arm losließ, merkte sie, dass sie am ganzen Körper zitterte. Ihm fiel das anscheinend auch auf, denn er hielt sie gleich wieder fest. Eine Weile sagte er nichts, sah sie nur an. Sein Gesicht war Wills so ähnlich und doch hätte sein Ausdruck nicht unterschiedlicher sein können. Mr Archer war ein groß gewachsener Mann, der mit seinen Kunden gerne scherzte und lachte, aber Zoe gegenüber wirkte er oft befangen – beinahe streng. »Merkwürdiges Wetter.«
    Zoe nickte.
    »Ist vielleicht keine gute Idee, in diesem Zustand hier am Wasser zu bleiben. Was denkst du – warum kommst du nicht einfach mit mir? Evelyn hat ganz sicher ein Spitzenfrühstück auf den Tisch gezaubert.«
    Bei dem Gedanken an die gemütliche helle Küche der Archers
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