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Sharpes Beute

Titel: Sharpes Beute
Autoren: Bernard Cornwell
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gehen, Mister Belling.«
    »Er pfeift aus dem letzten Loch, hat vermutlich keinen Penny mehr.«
    »Zweifellos!«, sagte Brown. »Und er hat seinen Tornister und Mantel selbst getragen! Ein Offizier trägt kein Gepäck! Das hab ich in all meinen Jahren noch nie gesehen. Und er roch nach Gin.«
    »Was?«
    »Er hatte eine Fahne«, sagte Brown. »Nein, so was! So ein Typ ist das also. Mit so einem hat sich Lady Grace eingelassen. Sie muss verrückt gewesen sein!« Er zuckte zusammen, erschreckt, weil die Tür plötzlich aufgeflogen war. »Mister Sharpe?«, sagte er schwach und fragte sich, ob der große Schütze zurückgekehrt war, um sich an ihnen zu rächen, weil sie ihm nicht geholfen hatten. »Haben Sie vielleicht etwas vergessen?«
    Sharpe schüttelte den Kopf. »Heute ist Freitag, nicht wahr?«
    Mister Belling blinzelte. »So ist es, Mister Sharpe.«
    »Freitag«, bestätigte Mister Brown, der letzte Tag im Juli.«
    Sharpe, dunkeläugig, groß und hartgesichtig, starrte abwechselnd zwischen den beiden Männern hin und her und nickte dann widerstrebend. »Das dachte ich mir«, sagte er und verließ ein zweites Mal das Büro.
    Diesmal war es Brown, der einen Seufzer der Erleichterung ausstieß, als die Tür zufiel. »Ich kann nicht verstehen«, sagte er, »dass man Männer aus den Mannschaften befördert und das für eine gute Idee hält.«
    »Das geht nie gut«, meinte Belling, »sie passen einfach nicht zu dem Rang, Mister Brown. »Und sie fangen an zu saufen, und dann geht ihnen das Geld aus. Es ist keine Vernunft in solchen Typen. Er wird in einem Monat auf der Straße liegen, verlassen Sie sich drauf, in spätestens einem Monat.«
    »Armer Kerl«, sagte Mister Brown und schloss die Tür ab. Es war erst siebzehn Uhr, und das Büro sollte bis achtzehn Uhr geöffnet sein, doch irgendwie hielt er es für klüger, heute früher zu schließen. Nur für den Fall, dass Sharpe noch einmal zurückkam.
 
    Grace, dachte Sharpe, Grace. Gott helfe mir, Grace. Drei Schilling, drei Pence und einen verdammten Halfpenny, das war alles, was ihm geblieben war. Was mache ich jetzt, Grace?
    Er sprach oft mit ihr. Sie war nicht da, um es zu hören, jetzt nicht, aber er sprach trotzdem mit ihr. Sie hatte ihm so viel beigebracht, ihn ermuntert, zu lesen und zu schreiben und zu denken, aber nichts davon war geblieben. Nichts.
    »Verdammt, Grace«, sagte er laut, und Passanten machten ihm Platz, hielten ihn entweder für verrückt oder betrunken. »Verdammt noch mal!« Tiefer Zorn wallte in ihm auf, eine Wut, die explodieren wollte oder nur durch ein paar scharfe Drinks ertränkt werden konnte.
    Drei Schilling, drei Pence und ein verdammter Halfpenny! Davon konnte er sich gut betrinken, doch Ale und Gin, die er am Mittag getrunken hatte, stießen ihm bereits sauer auf. Es war ihm danach, sich mit jemandem zu schlagen, mit irgendjemandem. Es war ein blinder, verzweifelter Zorn.
    So war es nicht geplant. Er hatte gedacht, nach London zu kommen, einen Vorschuss von einem Armee-Agenten zu erhalten und dann nach Indien zurückzukehren. Andere reisten dort arm hin und kamen reich zurück. Sharpe, der Nabob, warum nicht? Weil er sein Offizierspatent nicht verkaufen konnte, deshalb nicht. Jeder Rotzbengel mit reichem Vater konnte seinen Rang kaufen und verkaufen, aber ein richtiger Soldat, der sich die Karriereleiter hochgekämpft hatte, konnte das nicht. Zum Teufel mit allen. Und was jetzt? Ebenezer Fairley, der Händler, der mit ihm von Indien aus gesegelt war, hatte ihm einen Job angeboten. Sharpe nahm an, er konnte den Mann in Cheshire darum bitten, aber er wollte jetzt diese Reise nicht antreten. Er brauchte nur ein Ventil für seinen Zorn, und nachdem ihm versichert worden war, dass es tatsächlich Freitag war, ging er in Richtung Tower.
    Die Straße stank nach dem Fluss, nach Kohlenrauch und Pferdedung. In diesem Viertel von London, das so nahe an den Docks, dem Zollamt und den großen Lagerhallen lag, die mit Gewürzen, Tee und Seide vollgestopft waren, war Wohlstand. Es war ein Viertel mit Bürohäusern, Banken und Geschäften, ein Nährboden für den Wohlstand der Welt, doch das Geld wurde nicht zur Schau gestellt.
    Ein paar Clerks eilten von einem Büro zum anderen, doch es gab keine Straßenfeger und keine Anzeichen des Luxus wie in den eleganten Straßen im Westteil der Stadt. Die Gebäude waren groß, dunkel und geheimnisvoll, und es war unmöglich, zu sagen, ob der grauhaarige Mann mit einem Aktenbündel unter dem Arm ein reicher
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