Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sharpes Beute

Titel: Sharpes Beute
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
Handelsfürst oder ein heruntergekommener Angestellter war.
    Sharpe ging den Tower Hill hinab. Ein paar Wachtposten mit roten Uniformröcken standen am äußeren Tor des Towers und taten so, als bemerkten sie die Säbelscheide unter dem Mantel nicht, und er ignorierte sie ebenfalls. Es war ihm gleichgültig, ob sie vor ihm salutierten oder nicht. Es interessierte ihn nicht, ob er die Armee jemals im Leben wiedersah. Er war ein Versager. Lagerverwalter im Regiment. Ein verdammter Quartiermeister. Er war von Indien gekommen, wo er einen Posten in einem Regiment mit Rotröcken bekommen hatte, war nach England weggelobt worden, wo er in einen grünen Rock gesteckt worden war.
    Zuerst hatte er die Schützen gemocht, aber dann war Grace gestorben und alles war schiefgegangen. Sharpe gab nicht ihr die Schuld, sondern sich selbst, aber er konnte immer noch nicht verstehen, warum er gescheitert war. Die Schützen waren ein neues Regiment, das Fähigkeiten und Intelligenz über blinde Disziplin stellte. Die Schützen arbeiteten motiviert, belohnten Erfolg und ermunterten die Männer, eigenständig zu denken. Offiziere übten mit ihnen, waren sich nicht zu schade, sogar an dem Drill teilzunehmen, und in den Stunden, die in anderen Regimentern mit Putzen und Flicken vergammelt wurden, übten die Grünjacken das Schießen. Männer und Offiziere machten sich gegenseitig Konkurrenz, und alle versuchten, ihre Kompanie zur besten zu machen.
    Es war genau die Art Regiment, von der Sharpe in Indien geträumt hatte, und man hatte ihn dorthin empfohlen.
    »Ich höre, Sie sind genau die Art Offizier, die wir wünschen«, hatte Colonel Beckwith Sharpe begrüßt, und die Willkommensrede war herzlich gewesen. Sharpe brachte den Grünjacken eine Fülle von Erfahrung in der Schlacht, aber am Ende wollten sie ihn nicht haben. Er passte nicht zu ihnen. Er konnte kein Blabla plaudern. Vielleicht hatte er ihre Art gefürchtet. Die meisten Offiziere des Regiments hatten die letzten Jahre mit Ausbildung an der englischen Südküste verbracht, während Sharpe in Indien gekämpft hatte. Er war bei der Ausbildung gelangweilt gewesen, und nach der Trennung von Grace war er verbittert, sodass der Colonel ihn von der dritten Kompanie weggenommen und ihm die Verantwortung über die Lager übertragen hatte, was genau das war, wo die meisten aus den Mannschaften aufgestiegenen Offiziere in den engstirnigen Rotrockregimentern verwendet wurden. Bei den Schützen hätte es anders sein sollen.
    Jetzt war das Regiment aufgebrochen, um irgendwo in Übersee zu kämpfen. Aber Sharpe, der verdrossene Quartiermeister, war zurückgeblieben.
    »Es wird eine gute Gelegenheit sein, die Baracken zu säubern«, hatte Colonel Beckwith Sharpe gesagt. »Misten Sie alles aus. Bereiten Sie alles für unsere Rückkehr vor.«
    »Jawohl, Sir«, hatte Sharpe gesagt und Beckwith zur Hölle gewünscht. Sharpe war Soldat, kein verdammter Baracken-Ausmister, doch er hatte seinen Zorn verborgen, als er das Regiment nach Norden marschieren sah. Niemand wusste, wohin es marschierte. Einige vermuteten, nach Spanien, andere sagten, ihr Ziel sei Stralsund, das eine britische Garnison an der Ostsee war. Niemand konnte erklären, warum die Briten eine Garnison an der südlichen Küste der Ostsee unterhielten, und einige behaupteten, das Ziel des Regiments sei Holland. Keiner wusste was Genaues, doch alle erwarteten, dass sie in den Kampf zogen, und marschierten frohen Mutes. Sie waren die Grünröcke, ein neues Regiment für ein neues Jahrhundert, aber es war kein Platz für Richard Sharpe darin.
    So hatte Sharpe sich entschlossen, abzuhauen. Zum Teufel mit Beckwith, mit den Grünröcken, mit der Armee und allem. Er hatte angenommen, er könne sein Offizierspatent verkaufen und mit dem Geld ein neues Leben beginnen. Doch er konnte es wegen der verdammten Bestimmungen nicht verkaufen. Verdammt noch mal, Grace, dachte er, was soll ich tun?
    Er wusste, was er tun würde. Er würde davonlaufen. Aber für den Beginn eines neuen Lebens brauchte er Geld, und das war der Grund, weshalb er sich vergewissert hatte, dass es Freitag war. Jetzt stieg er die Treppe am Fuß des Tower Hill hinunter, nickte dem Fährmann zu, sagte »nach Wapping« und ließ sich im Heck des Bootes nieder.
    Der Fährmann legte los und ließ sich von der Strömung des Flusses stromabwärts treiben. An beiden Ufern des Flusses waren Boote und Frachtkähne an Kais festgemacht, geschützt von Fendern aus dicken, geteerten Tauen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher