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Shardik

Titel: Shardik
Autoren: Richard Adams
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Wo bist du verletzt?«
    »An der Schulter, Shendron, und der Arm ist steif und schmerzt.«
    »Du siehst benommen aus. Hast du Fieber?«
    Der Jäger antwortete nicht.
    »Ich fragte: ›Hast du Fieber?‹«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Wie bist du zu der Wunde gekommen?«
    Kelderek zögerte, dann schüttelte er wieder den Kopf und schwieg.
    »Du Dummkopf, meinst du, ich frage dich aus reiner Klatschsucht? Ich muß alles erfahren – das weißt du. War es ein Mensch oder ein Tier, das dich verwundete?«
    »Ich bin gestürzt und habe mich verletzt.«
    Der Shendron wartete.
    »Ein Leopard hat mich verfolgt«, fügte Kelderek hinzu.
    »Glaubst du, du erzählst hier Kindern am Strand Geschichten?« platzte der Shendron ungeduldig los. »Muß ich weiterfragen: ›Und was geschah dann?‹ Erzähl mir, was vorgefallen ist. Oder ist es dir lieber, zum Großbaron geschickt zu werden, um ihm zu sagen, was du nicht erzählen wolltest?«
    Kelderek setzte sich an den Rand des Holzpiers, blickte zu Boden und stocherte mit einem Stecken in dem dunkelgrünen Wasser unter sich. Endlich sagte der Shendron: »Kelderek, ich weiß, man hält dich mit deinem ›Katze fängt Fisch‹ und all dem Unsinn für einen einfältigen Burschen. Ob das stimmt, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls aber weißt du sehr wohl, daß jeder Jäger, der ausfährt, bei der Rückkehr alles erzählen muß. So lautet Bel-ka-Trazets Befehl. Hat das Feuer einen Leoparden nach Ortelga getrieben? Bist du mit Fremden zusammengetroffen? Wie sieht es am Westende der Insel aus? All das muß ich erfahren.«
    Kelderek zitterte auf seinem Platz, sagte aber noch immer nichts.
    »Hör mal«, sagte der Netzflicker, der zum erstenmal sprach, »du weißt doch, er ist ein Einfaltspinsel – Kelderek Zenzuata – Kelderek, der mit den Kindern spielt. Er ist auf die Jagd gegangen, hat sich verletzt – ist mit wenig Beute zurückgekehrt. Können wir’s nicht dabei belassen? Wer will sich die Mühe machen, ihn dem Großbaron vorzuführen?«
    Der Shendron, ein älterer Mann, runzelte die Stirn. »Ich bin nicht hier, damit man seinen Spaß mit mir treibt. Vielleicht ist die Insel voll mit allerhand wilden Tieren, vielleicht auch mit Menschen. Warum nicht? Und dieser Mann, den du für einen Einfaltspinsel hältst – vielleicht hintergeht er uns. Mit wem hat er heute gesprochen? Und hat man ihn bestochen, damit er nichts sagt?«
    »Aber wenn er uns hinterginge«, sagte der Netzflicker, »würde er dann nicht mit einer vorbereiteten Geschichte kommen? Verlaß dich darauf, er…«
    Der Jäger erhob sich und blickte gespannt von dem einen zum anderen.
    »Ich hintergehe niemanden; aber ich kann auch nicht erzählen, was ich heute gesehen habe.«
    Der Shendron und sein Gefährte wechselten Blicke. In der abendlichen Stille plätscherte das Wasser unter der Plattform in einer leichten Brise, und irgendwo landeinwärts ertönte ein leiser Ruf: »Jasta! Das Brennholz!«
    »Was soll das heißen?« fragte der Shendron. »Du machst es mir schwer, Kelderek, aber dir noch schwerer – viel schwerer.«
    »Ich kann dir nicht erzählen, was ich gesehen habe«, wiederholte der Jäger mit Verzweiflung in der Stimme.
    Der Shendron zog die Schultern hoch. »Gut, Taphro, da es anscheinend keine Hilfe gegen diese Torheit gibt, mußt du ihn zum Sindrad führen. Aber du bist ein großer Narr, Kelderek. Der Zorn des Großbarons ist ein Sturm, den schon so mancher nicht überlebt hat.«
    »Das weiß ich. Gottes Wille geschehe.«
    Der Shendron schüttelte den Kopf. Kelderek legte ihm, als wollte er ihn zu versöhnen suchen, eine Hand auf die Schulter, aber der andere schüttelte sie unwillig ab und wandte sich schweigend wieder seiner Flußwache zu. Düsteren Blicks winkte Taphro nun dem Jäger, ihm am Ufer entlang zu folgen.
    Die Stadt, welche das schmale Ostende der Insel überzog, war landeinwärts durch ein verzweigtes, teils natürliches, teils künstliches Verteidigungssystem befestigt, das von einem Ufer zum anderen verlief. Westlich von dem Anemonenbaum, auf der anderen Seite der Stadt, zogen sich vier Reihen spitzer Pfähle vom Ufer bis in die Wälder hinein. Im Landesinneren bildeten die dichteren Urwaldstellen Hindernisse, die man kaum noch verstärken konnte, aber auch dort waren die natürlichen Schlingpflanzen gekappt und in fast undurchdringliche, hintereinanderliegende Schirmwände verwandelt worden. An den offeneren Stellen waren Dornbüsche gepflanzt worden – Trazada, Kräuseldorn, und die
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