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Shardik

Titel: Shardik
Autoren: Richard Adams
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unmittelbar gegen die Steine schlugen, sondern landeinwärts abnahmen und ihre Kraft unmerklich zwischen den wogenden Rohrbänken verbrauchten. Ein Stück landeinwärts der stromaufwärts liegenden Spitze erhob sich eine felsige Hügelkette aus dem Dschungel, die rückgratartig über die halbe Länge der Insel verlief.
    Am Fuß dieser Kette schlief der Bär unter dem grün blühenden Quian, als wollte er nie mehr erwachen. Unter und über ihm waren das Schilf und die unteren Böschungen voll von geflüchteten Geschöpfen, die durch den Strom herübergelangt waren. Einige waren gestorben – verbrannt oder ertrunken –, aber viele, besonders die, die schwimmen konnten – Ottern, Frösche und Schlangen –, hatten überlebt, erholten sich bereits und begannen, nach Nahrung zu suchen. Die Bäume wären voller Vögel, die von dem brennenden Ufer herübergeflogen waren; sie befanden sich, aus ihrem natürlichen Rhythmus aufgestört, dauernd in Bewegung und schnatterten im Dunkel. Trotz Müdigkeit und Hunger war jedes Tier, das wußte, was es hieß, getrieben zu werden und einen jagenden Feind zu fürchten, auf der Hut. Die Umgebung war fremd; keines wußte, wo ein sicherer Ort zu finden wäre; und dieses Gefühl des Verlorenseins strahlte überall, wie ein kalter Boden Nebel abgibt, eine fühlbare Spannung aus – scharfe Angstschreie, Geräusche von überstürzter Bewegung und plötzlicher Flucht –, ganz anders als der normale, heimliche Rhythmus des Waldes. Nur der Bär schlief weiter, unbewegt wie ein Fels im Meer, hörte nichts, sah nichts, fühlte nichts, nicht einmal die Brandwunden, wo große Flecke in seinem Fell zerstört waren und das Fleisch darunter runzlig.
    Als der Morgen graute, kehrte der Wind zurück und brachte von jenseits des Flusses den Geruch von kilometerlangen Flächen voll Asche und schwelendem Urwald. Die Sonne ging hinter dem Kamm auf. Den Wald unter dem Westabhang ließ sie im Schatten; hier blieben die geflüchteten Tiere stehen, lauernd und verwirrt, und wagten sich nicht ins helle Licht hinaus, das nun an den Inselufern glitzerte.
    Dieser Sonnenschein war es und der alles durchdringende Geruch der verkohlten Bäume, die das Herannahen des Mannes deckten. Er watete knietief durch das seichte Wasser, duckte sich, um unter den gefiederten Büscheln des Schilfrohrs verborgen zu bleiben. Er trug Kniehosen aus derbem Stoff und ein an den Seiten und Schultern mit groben Stichen genähtes Lederwams. Seine Füße waren an den Knöcheln in Ledersäcke geschnürt, die wie unförmige Stiefel aussahen. Er trug ein Halsband aus gebogenen, spitzen Zähnen, und an seinem Gürtel hingen ein Messer und ein Köcher mit Pfeilen. Seinen geschwungenen, besaiteten Bogen trug er um den Hals, um dessen Ende nicht im Wasser nachzuschleppen. In der einen Hand hielt er einen Stock, an dem drei tote Vögel – ein Kranich und zwei Fasane – mit den Beinen festgebunden waren.
    Als er das im Schatten liegende westliche Ende der Insel erreichte, blieb er stehen, hob vorsichtig den Kopf und lugte über das Schilf in den dahinter hegenden Wald. Dann machte er sich auf den Weg zum Ufer, das Schilfrohr vor ihm teilte sich mit einem zischenden Geräusch wie das einer Sense in langem Gras. Ein Entenpaar flog auf, aber er beachtete es nicht, denn er riskierte es selten oder nie, durch einen Schuß auf fliegende Vögel womöglich einen Pfeil zu verlieren. Als er trockenen Boden erreichte, duckte er sich sofort in einem hohen Schierlingsgebüsch nieder.
    Hier blieb er zwei Stunden, regungslos und wachsam, während die Sonne höher stieg und allmählich über den Hügelkamm wanderte. Zweimal schoß er, und beide Pfeile trafen ihr Ziel – der eine eine Gans, der andere ein Ketlana, ein kleines Waldreh. Beide Male ließ er die Beute liegen, wo sie gefallen war, und blieb in seinem Versteck. Da er eine Beunruhigung um sich spürte und die Asche im Wind roch, hielt er es für richtig, sich still zu verhalten und auf andere verirrte und heimatlose Tiere zu warten, die vorbeikommen würden. So duckte er sich denn und wartete, aufmerksam wie ein Eskimo vor einem Seehundloch, und bewegte sich nur dann und wann, um die Fliegen zu verscheuchen.
    Beim Anblick des Leoparden waren seine ersten Reaktionen nur ein schneller Biß auf die Lippe und ein Festerfassen seines Bogens. Das Tier kam durch die Bäume, mit langsamem Schritt und nach beiden Seiten Ausschau haltend, gerade auf ihn zu. Offensichtlich war es nicht nur unruhig, sondern auch
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