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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram
Autoren: Gregory David Roberts
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schlimmen Zustand. Die Sapna-Sache – das war meine Idee. Wusstest du das?«
    »Nein. Großer Gott, Karla!«
    Sie verengte die Augen, als sie das Entsetzen und den Zorn in meinem Blick sah.
    »Nicht die Morde«, fügte sie hinzu, sichtlich erschüttert, dass ich sie offenbar für imstande hielt, diese brutalen Taten zu ersinnen. »Das war Ghanis Einfall. Sie brauchten damals für große Schmuggelaktionen Hilfe von Leuten, die sie verweigert haben. Deshalb kam ich auf die Idee, einen Feind zu schaffen – Sapna –, gegen den man gemeinsam antreten konnte. Wir wollten mit Plakaten, Graffiti und ein paar harmlosen Bombendrohungen den Eindruck erwecken, als sei ein mächtiger gefährlicher Führer in der Stadt unterwegs. Aber Ghani fand das nicht bedrohlich genug. Deshalb fing er mit diesen Morden an …«
    »Und du bist nach Goa verschwunden.«
    »Ja. Weißt du, wo ich zum ersten Mal von den Morden gehört habe – was Ghani aus meiner Idee gemacht hatte? In diesem Dorf im Himmel – bei dem Lunch, zu dem du mich mitgenommen hattest. Deine Freunde haben darüber geredet. Das hat mich völlig fertiggemacht an dem Tag. Ich versuchte die anderen zu beeinflussen, damit sie damit Schluss machen, aber es war aussichtslos. Und dann sagte mir Khader, dass du im Gefängnis seist und so lange drin bleiben müsstest, wie Madame Zhou es wollte. Und dann … sollte ich mir diesen Pakistani, diesen jungen General vornehmen. Das habe ich gemacht, während du im Gefängnis warst – bis Khader hatte, was er wollte. Und dann … bin ich einfach abgehauen. Es hat mir gereicht.«
    »Aber du bist zu ihm zurückgekehrt.«
    »Ich wollte, dass du bei mir bleibst.«
    »Warum?«
    »Wie meinst du das?«, fragte sie und runzelte gereizt die Stirn.
    »Wieso wolltest du, dass ich bei dir bleibe?«
    »War das nicht klar?«
    »Tut mir leid, nein. Das war es nicht. Hast du mich geliebt, Karla? Ich will nicht wissen, ob du mich so geliebt hast wie ich dich. Ich meine nur … hast du mich überhaupt geliebt?«
    »Ich hatte dich gern …«
    »Ja …«
    »Nein, das stimmt wirklich. Ich hatte dich sehr gern, mehr als jeden anderen Menschen, den ich kannte. Das bedeutet bei mir sehr viel, Lin.«
    Ich biss die Zähne zusammen und wandte den Blick ab. Sie wartete ein paar Momente, dann sprach sie weiter.
    »Ich konnte dir nicht von Khader erzählen. Es ging einfach nicht. Es wäre mir vorgekommen, als würde ich ihn verraten.«
    »Mich zu verraten, war wohl einfacher.«
    »Ach Scheiße, Lin, so war es doch nicht. Wenn du bei mir geblieben wärst in Goa, dann hätten wir diese Welt hier beide hinter uns gelassen. Aber nicht einmal dann hätte ich es dir sagen können. Doch das spielt auch keine Rolle. Du wolltest nicht bei mir bleiben, und ich dachte, ich sehe dich nie wieder. Dann bekam ich eine Nachricht von Khader. Er schrieb, du seist bei Gupta-ji und würdest dich mit Heroin umbringen und ich müsste ihm helfen, dich da rauszuholen. Deshalb bin wieder in alles rein geraten. Deshalb bin ich zu ihm zurückgekehrt.«
    »Ich kapier das nicht, Karla.«
    »Was?«
    »Wie lange hast du für ihn und für Ghani gearbeitet – vor der Sapna-Sache?«
    »Vier Jahre etwa.«
    »Du musst doch in dieser Zeit ziemlich viel mitgekriegt oder zumindest gehört haben. Du hast für die Mafia von Bombay gearbeitet, verdammt. Du hast für einen der mächtigsten Dons von Bombay gearbeitet, genau wie ich. Du wusstest doch, schon lange vor den Sapna-Morden, dass dabei Leute umgebracht werden. Wieso bist du dann wegen der Sapna-Geschichte plötzlich so ausgerastet? Das verstehe ich nicht.«
    Sie betrachtete mich prüfend. Ich wusste, dass sie mich durchschaute; sie war zu klug, um nicht zu merken, dass ich ihr mit meinen Fragen zusetzen wollte. Doch ich sah ihr an, dass sie noch mehr entdeckte. Ich hatte mich bemüht, es zu verbergen, aber sie hatte die Selbstgerechtigkeit in meiner Stimme durchaus wahrgenommen. Als ich das letzte Wort gesprochen hatte, holte sie tief Luft, als wolle sie antworten, doch dann blieb sie stumm.
    Schließlich sagte sie mit einem kleinen verwunderten Stirnrunzeln: »Du denkst, ich wäre nach Goa abgehauen, weil ich wollte, dass mir … vergeben wird für das, was ich getan habe? Oder woran ich beteiligt war? Denkst du das?«
    »War es nicht so?«
    »Nein. Ich wollte, dass mir vergeben wird, und das will ich auch immer noch, aber nicht deshalb. Ich bin weggegangen, weil ich wegen der Sapna-Morde nichts empfinden konnte. Zuerst war ich fassungslos und
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