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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram
Autoren: Gregory David Roberts
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ihn immer schon fasziniert, und er wollte ihn unbedingt kennen lernen. Ich weiß nicht, warum er ihn nicht schon früher aufgesucht hat, aber ich denke, er wird es jetzt tun. Vielleicht ist er auch schon dort. Khaled hat mich ständig nach dem alten Lehrer gelöchert. Idriss hat Khader alles beigebracht über die Resolutionstheorie und –«
    »Über was?«
    »Die Resolutionstheorie. Khader hat diesen Begriff benutzt, aber Idriss hat ihn erfunden. Das war Khaders Lebensphilosophie. Demnach bewegt sich das Universum –«
    »Auf immer größere Komplexität zu«, fiel ich ihr ins Wort. »Ich weiß. Ich habe viel mit ihm darüber gesprochen. Aber mir gegenüber hat er den Ausdruck Resolutionstheorie nie benutzt. Und er hat auch nie über Idriss gesprochen.«
    »Das wundert mich. Ich glaube, er hat Idriss geliebt wie einen Vater, weißt du. Einmal hat er ihn den Lehrer der Lehrer genannt. Und ich weiß, dass er sich im Alter dort oben, in der Nähe von Varanasi, mit Idriss zurückziehen wollte. Jedenfalls werde ich dort nach Khaled zu suchen anfangen.«
    »Wann?«
    »Morgen.«
    »O-kay«, sagte ich gedehnt und vermied es, ihr in die Augen zu sehen. »Hat das … ich meine … hat es etwas mit dir und Khaled zu tun … wegen früher?«
    »Manchmal kannst du ein echter Idiot sein, Lin, weißt du das?«
    Ich blickte abrupt auf, sagte aber nichts.
    »Weißt du, dass Ulla in der Stadt ist?«, fragte sie nach einer Weile.
    »Nein. Seit wann? Hast du sie gesehen?«
    »Darum geht’s ja. Ich habe eine Nachricht von ihr bekommen. Sie ist im President abgestiegen und wollte mich sofort sehen.«
    »Bist du hingegangen?«
    »Ich wollte eigentlich nicht«, sagte sie. »Wenn du die Nachricht gekriegt hättest – wärst du hingegangen?«
    »Ich denke schon«, antwortete ich und starrte übers Meer, wo das Mondlicht sanft auf den schlangengleichen Wellen wogte. »Aber nicht wegen ihr, sondern wegen Modena. Ich habe ihn vor einer Weile getroffen. Er ist immer noch verrückt nach ihr.«
    »Ich habe ihn heute Abend gesehen«, sagte sie leise.
    »Heute Abend?«
    »Ja. Bevor ich hierherkam. Mit ihr. Es hat mich völlig durcheinandergebracht. Ich bin auf ihr Zimmer gegangen. Es war noch jemand da, ein Typ namens Ramesh –«
    »Ein Freund von Modena. Er hat mir von ihm erzählt.«
    »Jedenfalls, der macht mir die Tür auf, und ich geh rein, und sehe Ulla, die auf dem Bett sitzt, an die Wand gelehnt. Und Modena liegt auf ihrem Schoß, mit dem Gesicht an ihrer Schulter. Dieses Gesicht …«
    »Ich weiß. Er sieht grauenhaft aus.«
    »Es war so bizarr. Brachte mich völlig aus der Fassung, die ganze Szene. Ich weiß nicht mal genau, warum. Jedenfalls erzählt mir Ulla, dass sie viel Geld von ihrem Vater geerbt hat – ihre Familie ist sehr reich, weißt du. Denen gehört praktisch die kleine Stadt in Deutschland, wo sie geboren ist, aber die Eltern hatten ihr den Geldhahn abgedreht, als sie auf Droge war. Jahrelang hat sie nichts von denen gekriegt – bis ihr Vater starb. Als sie das Geld geerbt hatte, kam sie auf die Idee, hierher zurückzukommen und nach Modena zu suchen. Sie hat sich schuldig gefühlt, sagt sie, und konnte sich selbst nicht mehr ertragen. Und sie hat ihn gefunden. Er hat auf sie gewartet. Und als ich da ankam, wirkten die beiden auf mich … wie ein Liebespaar.«
    »Unglaublich. Er hat wirklich recht gehabt«, sagte ich leise. »Er hat mir gesagt, er wüsste ganz sicher, dass sie wiederkommen und nach ihm suchen würde. Und sie hat’s getan. Ich hab ihn für verrückt gehalten. Ich hätte das nie gedacht.«
    »Und wie sie da saßen, er quer über ihrem Schoß. Kennst du die Pietà? Von Michelangelo? Genau so sah es aus. Es war so grotesk. Und es hat mich total verstört. Manche Sachen sind so merkwürdig, dass sie einen regelrecht wütend machen, weißt du?«
    »Was wollte sie?«
    »Wie meinst du das?«
    »Wieso hat sie dich ins Hotel bestellt?«
    »Ach so, verstehe«, sagte sie mit einem kleinen Lächeln. »Ulla will immer irgendwas.«
    Ich zog eine Augenbraue hoch und erwiderte ihren Blick, sagte aber nichts.
    »Sie wollte, dass ich einen Pass für Modena beschaffe. Er ist seit einem Jahr hier und hat kein gültiges Visum. Und unter seinem eigenen Namen hat er wohl ein paar Probleme mit der spanischen Polizei. Er braucht einen neuen Pass, damit er nach Europa zurück kann. Er könnte als Italiener durchgehen. Oder als Portugiese.«
    »Überlass das ruhig mir«, sagte ich. Das schien der Grund zu sein, warum Karla sich
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