Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram
Autoren: Gregory David Roberts
Vom Netzwerk:
mit mir hatte treffen wollen. »Ich kümmere mich gleich morgen darum. Ich weiß, wo ich ihn finden kann, für Fotos und so – wobei er mit diesem Gesicht bei jeder Grenzkontrolle auffällt. Aber das kriegen wir schon hin.«
    »Danke«, sagte sie und blickte mir so tief in die Augen, dass mein Herz zu hämmern begann. Es ist immer ein idiotischer Fehler, hatte Didier einmal gesagt, mit jemandem allein zu sein, den man niemals hätte lieben sollen. »Und, was machst du, Lin?«
    »Ich sitze hier mit dir«, antwortete ich lächelnd.
    »Nein, ich meine, in Zukunft. Bleibst du in Bombay?«
    »Warum?«
    »Ich wollte dich fragen … ob du mit mir zusammen nach Khaled suchen willst.«
    Ich lachte, aber sie blieb ernst.
    »Das ist das zweitbeste Angebot, das ich heute bekommen habe.«
    »Das zweitbeste ?«, fragte sie indigniert. »Und was war das beste?«
    »Jemand hat mich eingeladen, mich in diesen Krieg in Sri Lanka einzumischen.«
    Sie presste aufgebracht die Lippen zusammen, anstatt etwas zu erwidern, und ich erhob entschuldigend die Hände.
    »War nur ein Witz, Karla, ehrlich. Entspann dich. Ich meine, das stimmt schon mit Sri Lanka, aber ich hab nur … du weißt schon.«
    Sie lächelte wieder. »Ich bin ein bisschen aus der Übung. Ist lange her, Lin.«
    »Ja. Und … warum bekomme ich nun diese Einladung?«
    »Warum nicht?«
    »Das genügt nicht, Karla, und das weißt du auch.«
    »Okay«, seufzte sie, warf mir einen kurzen Blick zu und betrachtete dann eingehend die Muster, die der Wind im Sand hinterließ. »Ich hatte gehofft … wir könnten vielleicht so was wiederfinden wie … wir es auf Goa hatten.«
    »Und was ist mit … Jeet ?«, fragte ich. »Was hält er davon, dass du nach Khaled suchen willst?«
    »Wir leben unabhängig voneinander. Wir machen beide, was wir wollen, und gehen hin, wo wir wollen.«
    »Hört sich … sehr locker an«, äußerte ich; es fiel mir nicht leicht, ein Wort zu finden, das aufrichtig, aber nicht kränkend war. »Was Didier mir erzählt hat, hörte sich ernsthafter an. Er meinte, der Typ hätte dich gefragt, ob du ihn heiraten willst.«
    »Hat er auch«, antwortete sie knapp.
    »Und?«
    »Und was?«
    »Wirst du … ihn heiraten?«
    »Ja, ich glaube schon.«
    »Warum?«
    »Warum nicht?«
    »Fang nicht wieder damit an.«
    »Entschuldige«, sagte sie seufzend und lächelte müde. »Ich bin jetzt einen anderen Umgangston gewöhnt. Warum ich Jeet heiraten könnte? Er ist ein netter Typ, gesund und reich. Und hey, ich glaube, dass ich sein Geld besser ausgeben kann als er selbst.«
    »Anders ausgedrückt: Du wärst bereit, für seine Liebe zu sterben.«
    Sie lachte. Dann sah sie mich an, plötzlich wieder ernst. Ihre Augen, mondlichthell; ihre Augen, so grün wie Wasserlilien nach dem Regen; ihr langes Haar, schwarz wie Flusssteine, wie Nacht unter meinen Fingerspitzen; ihre Lippen, lichtflirrend, zart wie Kamelienblüten, behaucht von heimlichem Raunen. Atemberaubend schön. Und ich liebte sie. Ich liebte sie noch immer so sehr, doch ohne jede Wärme und ohne mein Herz. Diese abgrundtiefe Liebe, diese hilflose, träumerische, verzehrende Liebe – sie war verschwunden. Und in diesen Sekunden der … kalten Bewunderung, wie man es wohl nennen könnte … spürte ich plötzlich, dass Karla auch keine Macht mehr über mich hatte. Oder vielmehr: Ihre Macht war in mich eingeflossen und zu meiner eigenen geworden. Ich hielt jetzt alle Karten in der Hand. Und ich wollte es erfahren. Ich wollte nicht mehr nur hinnehmen, was zwischen uns geschehen war. Ich wollte alles wissen.
    »Warum hast du es mir nicht gesagt, Karla?«
    Sie gab einen bedrückten kleinen Seufzer von sich, streckte die Beine aus und vergrub die nackten Füße im Sand. Dann betrachtete sie die kleinen Sandberge und begann zu sprechen. Ihre Stimme klang tonlos und dumpf, als entwerfe sie einen Brief – oder als zitiere sie einen Brief, den sie mir einmal geschrieben und den sie niemals abgeschickt hatte.
    »Ich wusste, dass du mich fragen würdest. Deshalb habe ich, glaube ich, so lange gewartet, bis ich mich bei dir gemeldet habe. Ich habe den anderen gesagt, dass ich hier bin, und ich habe nach dir gefragt, aber ich habe nichts weiter unternommen, bis heute, weil … ich wusste, dass du mich fragen würdest.«
    »Falls es etwas erleichtert«, sagte ich, und meine Stimme klang härter als beabsichtigt, »ich weiß, dass du es warst, der Madame Zhous Haus niedergebrannt hat.«
    »Hat Ghani dir das gesagt?«
    »Ghani? Nein.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher