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Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)

Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)

Titel: Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)
Autoren: Kim Lenox
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dafür sorgen, dass Sie Krücken bekommen. Haben Sie jemanden, der Sie nach Hause bringt?«
    »Oh, ich werde nicht wieder nach Hause gehen …« Ihre Stimme verklang zu niedergeschlagenem Schweigen.
    »Nein?« Elena hatte das Mädchen nicht bedrängt, die Umstände ihrer Verletzung zu erklären. Die Frauen, die sich hier kostenlos behandeln ließen, gaben nur selten zu, dass sie Opfer eines bestialischen alten Mannes oder Kunden geworden waren. Sie ließ ihre Stimme unbeschwert klingen. »Wohin werden Sie dann gehen?«
    »Catherine – eine gute Freundin – wartet auf der Krankenstation auf mich – Catherine Eddowes. Sie ist wie meine Ma, müssen Sie wissen.« Lizzy nickte und lächelte tapfer. »Sie wohnt in einer hübschen Wohnung, wirklich ordentlich, in der Shoe Lane. Vielleicht kann ich bei ihr bleiben …«
    »Dann werde ich sie jetzt holen.«
    »Sie trägt einen schwarzen Strohhut und einen Mantel mit Pelz am Kragen.«
    Mit zwei Holzleisten in der Hand schob der Student seinen Hocker näher an Lizzy heran. Er und Lizzy beäugten einander argwöhnisch.
    »Sind Sie sicher, dass der da weiß, was er tut?«
    »Er hatte den allerbesten Lehrer«, versicherte Elena ihr, bevor sie den Raum verließ.
    Schwester James, die Oberschwester, rauschte vorbei, ein Tablett mit zusammengerollten Verbänden in den Händen. »Dr. Harcourt lässt Sie bitten, zu ihm ins Labor des Apothekers zu kommen.«
    »Vielen Dank, Madam.« Elena entging die Schärfe von Schwester James’ Ton keineswegs. Die meisten Krankenschwestern im Hospital waren viel älter als sie, von einfacher Herkunft und ohne Vermögen. Sie lebten in dem Wohnheim auf dem Gelände und verbrachten nur wenig Zeit außerhalb der Mauern des Hospitals. Obwohl sie durchaus Freundinnen gefunden hatte, hatte eine ganze Anzahl der Frauen sie als Eindringling in ihren Reihen betrachtet – sie mit ihrer feinen Adresse in Mayfair, ihrer privaten Kalesche samt Kutscher. Aber sie hatte nicht darauf reagiert. Da sie nicht den Eindruck erwecken wollte, sich als etwas Besseres zu fühlen, hatte Elena es sich seit Kurzem zur Angewohnheit gemacht, zwei oder drei Nächte pro Woche im Wohnheim zu verbringen.
    Sie strich sich die Schürze glatt und eilte einige Türen weiter. Der Arzt, die Brille tief auf der Nase, stellte gerade Rezepte aus. Salbentöpfe, Glasballons und irdene Krüge füllten die Regale hinter ihm. In der Luft lag der unverkennbare Duft von Kampfer.
    »Sie brauchen meine Hilfe, Dr. Harcourt?«
    »Ms Whitney. Danke, dass Sie gekommen sind. Ich möchte mit Ihnen über eine Bewerbung sprechen, die heute Nachmittag auf meinem Schreibtisch gelandet ist.«
    Plötzlich wirkte der Raum viel kleiner und seine Wände wie zusammengerückt.
    Elena straffte die Schultern. »Ja, Sir.«
    Er zeigte eine professionelle, aber freundliche Miene. Sie konnte nichts in seinen Zügen lesen, das ihr einen Hinweis darauf gab, ob er ihre Bitte erfüllen oder ablehnen würde.
    »Sie haben es wieder einmal geschafft, mich zu überraschen, Ms Whitney.«
    »Wie das, Sir?«
    »Die meisten jungen Frauen mit Privilegien und Möglichkeiten wie den Ihren würden sich nicht einmal dazu herablassen, die Straße vor diesem Hospital entlangzufahren, geschweige denn auf der Armenstation zu arbeiten. Und jetzt höre ich, dass Sie die Bewunderung unserer hauseigenen menschlichen Kuriosität erregt haben.«
    »Es ging mir nicht darum, irgendjemandes Bewunderung zu erregen, Dr. Harcourt. Um die Wahrheit zu sagen, mein erster Besuch bei Mr Merrick war ein reiner Zufall. Es schien mir nur höflich, dass ich bleiben und für einen Moment mit ihm plaudern sollte.«
    Erst wenige Tage zuvor war eine der Krankenschwestern auf die Idee gekommen, Elena ihre Arbeit madig zu machen, indem sie sie einen Teller mit Rinderbrühe in das Zimmer eines »Privatpatienten« tragen ließ. Dabei hatte Elena entdeckt, dass es sich um Joseph Merrick handelte, ehemals Zugnummer in einer Kuriositätenschau, der in den Zeitungen als der Elefantenmann verspottet wurde. Es wäre eine Lüge gewesen zu sagen, dass sein Aussehen sie nicht erschreckt hätte. Aber nachdem sie sich miteinander bekannt gemacht hatten, hatten sie fast eine halbe Stunde lang über alle möglichen Themen geredet.
    »Er möchte Sie wissen lassen, dass ihm die Bücher sehr gut gefallen haben.«
    Um Mr Merrick spüren zu lassen, dass seine Verunstaltung sie nicht abgestoßen und sie den Besuch aufrichtig genossen hatte, hatte Elena ihm am nächsten Tag mehrere ihrer
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