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Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)

Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)

Titel: Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)
Autoren: Kim Lenox
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dass sich ihre Füße mehrere Zentimeter vom Boden abhoben.
    Lizzy schluchzte. »Oh, vielen, vielen Dank, Ms. Danke, dass Sie bei mir geblieben sind. Ich hab in meinen ganzen Tagen auf Erden nie nicht solche Angst gehabt.«
    Ihre Patientin roch nach Tabak und Gin und nicht nach Seife und Blumen, wie es einem jungen Mädchen anstand, doch Elena verspürte Mitleid mit ihr und zugegebenermaßen auch eine gewisse Seelenverwandtschaft. Wer konnte sagen, dass sie nicht auch auf der Straße gelandet wäre und alles getan hätte, um zu überleben, hätte das Schicksal ihr eine solche Zwangslage nicht erspart?
    »Sie haben das alles so tapfer durchgestanden, Lizzy.« Elena drückte sie kurz. Dann trat sie zurück, schob eine Hand in ihre Schürzentasche und zog ein Taschentuch heraus. »Vor zwei Tagen habe ich beobachtet, wie ein erwachsener Mann angesichts der gleichen Prozedur vollständig zusammenbrach.«
    »Wirklich?« Lizzy lächelte einfältig und nahm dankbar das gefaltete Leinentuch entgegen. Sie tupfte sich die Augen ab.
    In der Ecke des winzigen Raums gab Dr. Harcourt dem jungen Medizinstudenten, der bei der Prozedur assistiert hatte, Anweisungen. Elena hörte ebenfalls zu, hungrig nach jedem bisschen Wissen, sei es simpel oder vielschichtig. Sie würden eine Schiene aus Holz benutzen und einen festen Verband, um dafür zu sorgen, dass das Knie des Mädchens während der nächsten Tage ruhiggestellt blieb. Nachdem er seine Anweisungen gegeben hatte, schritt der Arzt auf die Tür zu.
    »Warten Sie, Doc«, rief Lizzy und stützte sich auf einen Ellbogen. Ihr fadenscheiniges Jäckchen spannte sich über schmale Schultern.
    Dr. Harcourt hielt inne, und eine dicke blonde Strähne fiel ihm über ein Auge, bis er sie wegschob. »Ja, Ms Harper?«
    Er trug einen Arztkittel und Hosen – eine bescheidene Tracht für den hochgeborenen zweiten Sohn einer der wohlhabendsten und einflussreichsten Familien Englands. Er war hochgewachsen und von athletischer Statur, und sein Kopf berührte beinahe den Türsturz.
    Lizzy platzte heraus: »Es tut mir ja so schrecklich leid, dass ich Sie Mistkerl genannt habe.« Sie schaute zu dem Studenten hinüber. »Bei Ihnen muss ich mich auch entschuldigen, Sir. Es tut mir so sehr leid.«
    Harcourt ließ ein warmes Lächeln aufblitzen, das Elena häufig bei ihm sah, wenn er mit seinen Patienten umging. Im Gegensatz zu vielen älteren Ärzten im Krankenhaus hatte er die Fähigkeit, seine Schutzbefohlenen zu beruhigen. Sein Blick wanderte für einen kurzen Moment zu Elenas Augen empor, ehe er wieder das Mädchen ansah. »Denken Sie nicht länger darüber nach. Es freut mich, dass ich behilflich sein konnte.«
    Mit diesen Worten verschwand er in den Flur.
    Lizzys Grinsen offenbarte eine Reihe schiefer Zähne. »Gottchen, wenn der Doktor nicht der attraktivste Mann ist, den ich je gesehen habe. Wie können Sie es aushalten, mit ihm zusammenzuarbeiten?«
    Elena lachte leise, gab jedoch keine Antwort. Harcourt war ein gut aussehender Mann, aber er war in den Monaten nach ihrem Unfall ihr persönlicher Arzt gewesen. Jetzt war er ihr Mentor. Obwohl sich im Laufe der Zeit eine Art Freundschaft zwischen ihnen entwickelt hatte, vergaß sie seine Attraktivität zuweilen.
    Oh, puh. Das war ja wohl die dreisteste Lüge, die es gab.
    Aber sie nahm ihre Position im London Hospital sehr ernst. Nur aus Verzweiflung hatte Harcourt wider seine feste Überzeugung gehandelt, dass sie sich mit »Dingen, die ihrer Stellung gemäßer« wären, beschäftigen solle. So hatte er ihr probeweise eine Stelle als Krankenschwester gegeben. Da sich die grausamen Morde von Whitechapel unweit des im gleichen Stadtteil gelegenen Krankenhauses ereignet hatten, war unter den weiblichen Angestellten eine Welle der Panik losgebrochen. Eine ganze Reihe von Krankenschwestern hatte den Dienst quittiert und das ohnehin stark unterbesetzte London Hospital verlassen. Seit dem letzten Mord waren volle drei Wochen ins Land gegangen, aber in dieser Zeit hatten die Behörden niemanden verhaftet. Furcht lag über dem ganzen Bezirk wie stinkender, wabernder Nebel.
    Elena hatte keine Angst vor dem Mörder – nicht hier auf dem Gelände des Krankenhauses –, und sie würde alles tun, um bleiben zu können.
    Sie half Lizzy, sich aufrecht hinzusetzen, und schob dem Mädchen diskret die wollenen Röcke über die Knie. »Jetzt braucht dieser gute Mann nur noch den Verband anzulegen und Ihr Bein zu schienen. Ich werde in die Krankenhausapotheke gehen und
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