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Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)

Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)

Titel: Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)
Autoren: Kim Lenox
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ich. Und dich werde ich mitnehmen.«
    »Dann tun Sie’s jetzt, Sie Feigling!«, rief das Mädchen herausfordernd, ihre Stimme ein trotziges Schluchzen. »Los!«
    Archer durchforstete die Tiefen seines Geists und fand ihren Namen dort.
    Elena, befahl er stumm. Halt.
    Sie erstarrte. Ihre Arme und Beine erschlafften, bis ihre Zehenspitzen beinahe die schlammigen Stulpen über Winslows Stiefeln berührten. Sie keuchte und rang nach Luft, und mit sichtlicher Anstrengung hob sie den Kopf, um Archer mit großen Augen ungläubig anzustarren.
    Was für seltsame Augen sie hatte. Tapfere Augen, eines blau und eines braun. Die Zeit, die im Allgemeinen mit der Schnelligkeit eines reißenden, gurgelnden Flusses an ihm vorbeirauschte, blieb beinahe stehen. Sein Puls – oder ihrer? – hämmerte in seinen Ohren, ein tiefes Dröhnen. Hinter ihren Tränen sah er Würde und Stärke und ein Spiegelbild seiner selbst, wie sie ihn sah.
    Grausam. Gewalttätig.
    Schön.
    Sein Geist verirrte sich in eine andere Existenz, in eine Zeit, in der er geliebt und gelebt hatte. Träume oder Erinnerungen? Er konnte sich nicht sicher sein.
    »Tun Sie, was Sie wollen«, flüsterte sie Archer zu.
    Winslow spie Beschimpfungen aus, sein Gesicht nur ein Klecks vor dem Hintergrund der Nacht.
    Archer starrte Elena an, verwirrt darüber, dass er der Anziehung, die von ihr ausging, nicht widerstehen konnte. Wie konnte es sein, dass eine Frau – eine einfache Sterbliche – ihn mit einem Blick und wenigen Worten so gänzlich durchschauen konnte? Er fühlte sich mit ihr verbunden, etwas, das sein Geist zurückwies, seine Seele jedoch ersehnte.
    Entnervt wandte Archer den Blick ab und erblickte in Winslows Augen etwas, das er besser verstand. »Es wird Zeit, dass wir unser Tänzchen beenden.«
    »Nur zu«, warnte Winslow und riss den Kopf des Mädchens höher. »Aber sie wird ebenfalls sterben.«
    »Sie denken, damit sei es getan?«, flüsterte Archer. »Bloß mit dem Tod? Leider nicht. Sie können nicht entkommen, also lassen Sie das Mädchen laufen.«
    »Sie bleibt bei mir!«, brüllte Winslow. Seine fleischigen Finger bohrten sich in die blasse Haut von Elenas Kehle.
    Archer hatte immer mit der leidenschaftslosen Präzision eines Wolfs gejagt, aber jetzt stieg Zorn in ihm auf, so schwarz und kraftvoll, dass er das Gefühl hatte, es würde ihn zerreißen. Er verfluchte die Grenzen seiner Macht und wünschte, er könnte mit einem bloßen Blick töten. Stattdessen – und da ihm nichts anderes übrig blieb – verschmolz er mit den Schatten. Hektisch um sich blickend stieß Winslow einen Ruf aus und suchte das Dach ab. Er schlich auf dem Sims entlang, als könnte er so entkommen.
    Mörtel knirschte und zerfiel. Das Mädchen schrie.
    Archer zog seine Klauen ein und stürzte sich auf sie, aber er kam zu spät. Das Aufblitzen eines Unterrocks, und sie war mit Winslow über den Rand des Dachs verschwunden.
    Verzweifelt versuchte er, sie zu retten. Er ließ sich auf die Steine fallen und langte nach unten, aber der einzige Lohn war eine Berührung von Fingerspitzen und ihr entsetzter Blick in seine Augen, als sie aus seiner Reichweite trudelte.

1
    29. September 1888
    Elena umklammerte die Handgelenke des Mädchens. Mit ihrem vollen Gewicht und aller Kraft drückte sie die junge Prostituierte auf den Tisch.
    »Mistkerl!«, kreischte Lizzy und drückte sich mit solcher Wucht hoch, dass sie Elena beinahe abwarf.
    »Schscht, schscht«, besänftigte Elena sie. »Er wird dafür sorgen, dass es schnell geht.«
    Mit einem Plopp glitt der Knochen an seinen Platz.
    »Geschafft«, verkündete Dr. Harcourt.
    »Sehen Sie?« Erleichterung durchflutete Elena, zusammen mit prickelndem Stolz. »Das war doch gar nicht so schlimm, oder? Ich habe Ihnen ja gesagt, dass er gut ist.«
    Sie löste sich von Lizzy, aber vorsichtig. In ihrer kurzen Zeit auf der Station hatte sie gelernt, dass man sich der Reaktion eines Patienten niemals sicher sein konnte. Einige reagierten mit Dankbarkeit, andere mit einem Kinnhaken.
    Als sie hinunterschaute, sah sie zwei Tränenbäche über Lizzys Schläfen in ihr leuchtend rotes Haar strömen. Die Hautfarbe des Mädchens glich beinahe der weißen Emaille des Tischs, auf dem es lag. Vielleicht wäre Riechsalz angebracht.
    »Lizzy?« Elena strich sich eine ungebärdige Locke aus der Stirn. Das Mädchen war sehr jung und offensichtlich allein auf der Welt. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
    Plötzlich fand sich Elena in einer so heftigen Umarmung wieder,
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