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Sex und Folter in der Kirche

Sex und Folter in der Kirche

Titel: Sex und Folter in der Kirche
Autoren: Horst Herrmann
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viele der Ansicht, das Zeitalter der Religionen sei zu Ende. Immerhin boten sich wichtiger denn je gewordene Alternativen: der Rationalismus, der Sozialismus. Sind aber, fragt Friedman, nicht beide vor unseren Augen gescheitert?
    Auch der Rationalismus, der sein Versprechen nicht einlösen
    konnte, »allen alles verständlich« zu machen?
    Religion dagegen, deren ursprüngliche Erfahrung von Schrecken begleitet ist,4 darf in tausend Gewändern, in abertausend Verhüllungen auftreten. Ihre Propheten, die sich gegenseitig falsch heißen, mögen sich in noch so viele Schafspelze kleiden (Mt 7,15) - reli-8
    giöse Erwartungshaltungen sind nicht abzulegen. Der entspre-
    chende Blick nach oben, unten, innen blieb üblich. Kirchenaustritte täuschen über die Lage hinweg: Religion, oft ein diffuses Gemenge der in jeder Generation auftretenden Sinn-, Orientierungs- und Heilserwartungen, bleibt in. Während dem Rationalismus bereits Versagen vorgehalten wird und Aufklärung wieder als suspekt gilt, darf Religion fröhlich weiterwirken. Der spirituelle Markt, auf dem das Volk der Wassermannzeit einkauft,5 ist noch lange nicht gesättigt.
    Kein Wunder, daß Dutzende von New-Age-Kongressen und -Se-
    minaren rings um den Erdball die neuen Dogmen des Herzens, des Mutterschoßes, der überfließenden Sensitivität, der umfassen-den Verschwisterung, der kumpelhaften Duz-Brüderschaft und
    -Schwesternschaft enthusiastisch feiern.6 Ein Blick auf die eksta-tisch geöffneten Augen, die bereitwilligen Gesichter der gegenwärtig Erwählten sagt alles. Es scheint sogar, als sei die masochistische Bereitschaft solcher Menschen, sich als Opfer zu fühlen, ebenso wie ihre Zahlungswilligkeit um so größer, je unsinniger, »unverkopf-ter« die fundamentale These des jeweiligen Gurus ausfällt. Ketzeri-sche Gedanken sind im Vergleich mit dem seltsam Entzückenden, Sinnberückenden, Berauschten nicht gefragt.7
    Die Kirchen, Großorganisationen des herkömmlichen Chri-
    stentums, sind schockiert, weil sie die frischen Wasser der religiösen und pseudoreligiösen Energien nicht auf ihre Gottesmühlen zu
    leiten vermögen. Doch sie sind zu schwach, auch nur einen bescheidenen Anteil an der gegenwärtigen Glaubensrenaissance zu beanspruchen. Ihre Geschichte ist entlarvt, ihre Glaubwürdigkeit litt schwersten Schaden. Ihre geistlos verwalteten Strukturen lassen keine Rettung des Feuers zu; dieses brennt anderswo.
    Es wirkt nur noch komisch, wenn Kirchenvertreter, denen in
    letzter Zeit die Menschen in Scharen davonlaufen, vom neuen
    Aufbruch des Glaubens in den Seelen sprechen und dabei ausge-
    rechnet an ihresgleichen denken.8 Sie haben keinen Grund, die Entwicklung anzuprangern. Die christlichen Kirchen haben die
    Vernunft nicht gepachtet, auch wenn Sektenbeauftragte, die neuen Inquisitoren,9 dies vorgeben: Der christliche Glaube verlangt nicht weniger, sondern mehr irrationalen Glauben, als manche »Sekte«
    einzufordern wagt.
    Erst recht nicht dürfen jene Großkirchen, die nicht nur sechzehn 9
    Milliarden D-Mark Kirchensteuer pro Jahr einnehmen, sondern
    auch Subventionen in Milliardenhöhe für ihre Zwecke kassieren,10
    auf die ungezügelte Spendenfreudigkeit von Sektenmitgliedern verweisen und bestimmte Sekten als »bloße Wirtschaftsunternehmen«
    charakterisieren: heuchlerisch, einen wesensmäßigen Zusammen-
    hang von Glaube und Geld11nur bei anderen anzunehmen und sich salbst auszunehmen. Freilich ist es ein erprobtes Prinzip, den Splitter im Auge anderer zu sehen und den Balken im eigenen zu übersehen (Mt 7,3). Doch wer im Glashaus sitzt...
    Im übrigen erklärten uns die beiden größten nichtstaatlichen
    Grundbesitzerinnen der Republik12 bis heute nicht, wie sie in den Besitz ihrer immensen Ländereien gelangten. Es ist bis zum Beweis des Gegenteils anzunehmen, daß bischöfliche Raubzüge und Raub-kriege, klerikale Betrügereien größten Ausmaßes, oberhirtlich legitimierter Mord für den Gewinn verantwortlich zeichnen.
    Auch die Folter hat ihren Anteil. Immerhin waren die erpreßten Oppfer nicht selten vermögend; ihr Hab und Gut wurde nach Tortur, Geständnis, Hinrichtung zugunsten kirchlicher Oberen eingezogen. Noch ist unklar, was aus diesen Folter-Gewinnen wurde.
    Wieviel Besitz der heutigen Kirche mag sich diesem Dunkel verdanken? Doch fand sich ein Bischof, der auch nur am Rande einer
    Predigt auf solche Sachverhalte eingegangen wäre? Stellt sich ein Oberhirte überhaupt die Frage?
    Der Zürcher Jurist und
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