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Sex und Folter in der Kirche

Sex und Folter in der Kirche

Titel: Sex und Folter in der Kirche
Autoren: Horst Herrmann
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schwer bestraft wie jener, der solche Gewalt dem Papst, einem Bischof oder einem Kleriker antut.37 Offensichtlich konnte sich das Kirchenrecht noch immer nicht von den Vorstellungen befreien, nach denen es zumindest zwei Klassen von Menschen gibt: ehrbare und weniger ehrbare (ehrlose). Die ersteren wurden und werden besonders geschützt, die anderen unterlagen von vornherein einem weniger schützenden
    Recht. Sie konnten, als Geringste unter den Menschen, im Gegensatz zu den sogenannten Ehrbaren ohne große Umstände auch
    gefoltert werden.38
    Die genannte Regelung im katholischen Strafrecht läßt Rück-
    schlüsse auf den Wert eines Menschenlebens von heute zu; Rück-schlüsse, die sich mit Fensterpredigten über die Würde aller Menschen nicht beheben lassen. Wohlgemerkt, die Bestimmungen
    stammen nicht aus dem Mittelalter. Es handelt sich um Normen, die 1983 von Papst Johannes Paul II. erlassen wurden und geltendes Recht sind. Ich frage nicht nur, woher solche Güterabwägungen stammen und wem sie in den Kram passen. Ich steige in die Folterkeller der Menschheits- und Religionsgeschichte hinab, ziehe Sie mit mir und spreche mit Ihnen von den Menschen, die unter Qualen ihr Blut vergießen mußten, wie von den Menschen, die es vergießen ließen: also von Opfern und von Tätern. Wird es gelingen, die Distanz zu den Greueltaten zu zerstören — oder wenigstens bewußtzumachen? Die entsetzliche Atmosphäre zu rekonstruieren, in der die Verbrechen geschahen? In die Herzen der Täter, Opfer, Hinterbliebenen hineinzukriechen?
    Als ich mit meinen Kindern eine Ritterburg besuchte, entdeckten wir nicht wenige Hinweisschilder, die farbenfroh zum Besuch von Folterkammern einluden. Wir mußten tief hinab; offenbar wird mit Vorliebe unter der Erde gefoltert, wo das Tageslicht seine Kraft verliert, Schreie verhallen und Überreste von Menschen bequem beseitigt werden können. Die endlich entdeckten Keller waren voller Menschen; alles schob, drängelte, gaffte. Einige schienen enttäuscht, in dem feuchten Gemäuer keine Skelette vorzufinden.
    Auch das Arsenal an Werkzeugen erfüllte beileibe nicht alle Erwartungen. Der Schauer blieb bis zum nächsten Besuch.
    18
    Der Marktwert fremden Blutes
    Von elenden Qualen ist in diesem Buch die Rede. Blut fließt selten frei; es muß hervorgelockt werden. Und schon sind wir bei jenen Menschen, die sich als Fragende, Lockende, quälend Tätige verstehen. Sie sind mit der Rechtfertigung ihres Tuns ebenso schnell bei der Hand wie mit ihrer technischen Intelligenz: Woher stammten sonst die gräßlichen und auf schaurigste Weise legitimierten Instrumente, die die Lexika nüchtern als Folterwerkzeuge beschreiben -
    und die typisch für die Menschheit sind?39 Nur der Mensch kennt und benennt die Wonnen der Folter. Kein anderes Lebewesen erhob Tortur und Qual unter seinesgleichen je hoch, keines sank auch nur ähnlich tief unter die Vorgaben der Natur.
    Blut: »In Hohlraumsystemen bzw. im Herz-Kreislauf-System
    (Blutkreislauf) zirkulierende Körperflüssigkeit, die aus dem Blut-plasma und den Blutzellen (als den geformten Elementen) be-
    steht.«40 Es erfüllt wichtige Funktionen: Sauerstofftransport (Atemfunktion), Entschlackung (Transport von Kohlensäure und
    harnpflichtigen Substanzen), Ernährung (Nährstofftransport),
    Transport.von Vitaminen und Hormonen, Gerinnung, Abwehr,
    Ableitung (von überschüssiger Wärme). Ein kostbares Material; fast das gesamte in Deutschland gespendete Blut wird in seine Bestandteile zerlegt und weiterverarbeitet.41
    Blut — das macht seine lebenspendende und -erhaltende Eigenart aus — bleibt im Regelfall im Körper. Es aus einem Menschen
    abzuleiten heißt, von erlaubten medizinischen Eingriffen und Blut-spenden abgesehen, diesen grundsätzlich verletzen, im schwersten Fall vom Leben zum Tod befördern. Dies bewußt und gewollt zu
    tun bezeugt mindestens Verletzungs-, wenn nicht Tötungsinteresse: Täter sind nicht bereit, die Integrität eines anderen Lebens zu akzeptieren.
    Menschenblut ist spezifisches Blut; jede Laborantin lernte dies, und Gerichtsmediziner leben von Berufs wegen von dieser Differenz. Wer Menschenblut vergießt, ohne dazu gesellschaftlich legitimiert zu sein wie gegenwärtig Ärzte, Henker oder Militärpersonen (zu anderen Zeiten auch: Inquisitoren, Folterknechte, Bluträcher, Patriarchen42), macht sich strafbar. Er erfüllt zumindest bestimmte Tatbestände des Strafgesetzbuches: Körperverletzung, Totschlag, Mord. Ob er tatsächlich
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