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Sex und Folter in der Kirche

Sex und Folter in der Kirche

Titel: Sex und Folter in der Kirche
Autoren: Horst Herrmann
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nicht als Gesprächspartner, vielmehr benötigten die Juden die Kirche, »um ihr ewiges Heil nicht zu verlieren«22.
    Meldungen 1994: Zwischen 1984 und 1992 nahm die Zahl der
    antijudaistischen Ausschreitungen in Großbritannien um vierundachtzig Prozent zu; nicht wenige sind religiös motiviert. Die Kirchen werden öffentlich beschuldigt, zur Diffamierung der Juden beigetragen zu haben.23 Auf der christlich-jüdischen Konferenz vom Februar 1994 in Jerusalem sagt der französische Oberrabbiner R. Sirat zum Friedensprozeß im Nahen Osten, die nichtreligiösen Israelis und die PLO hätten einander die Hand zur Versöhnung
    gereicht, nicht aber die Priester, Rabbiner und Imame.24
    Der Vatikan und Israel schlossen zum Jahresende 1993 einen
    Staatsvertrag und werden, sechsundvierzig Jahre nach der Gründung des Staates Israel, diplomatische Beziehungen aufnehmen —
    weniger ein theologisches als ein von politischen Interessen der Kirche bestimmtes Faktum. Der Vatikan sah sich in dieser Frage zunehmend hinter der Welt herhinken, fühlte sich von der Entwicklung im Nahen Osten überholt und isoliert. Die Mitteilung, »zwei Religionen söhnen sich miteinander aus«, ist gut gemeint, doch trifft sie nicht den Kern. Ein Kommentar meint, es habe »beschä-
    mend lange gedauert, bis der Vatikan das Richtige getan hat. Angesichts des dunklen Flecks, den das Verhalten des zwölften Pius während der Nazizeit hinterlassen hat, hätte es der Kirche zur Ehre gereicht, wenn sie nicht erst 1965 die Anklage des ›Gottesmordes‹
    zurückgenommen hätte... Nun hat der Vatikan die Machtverhält-
    nisse neu bewertet: Israel bleibt ein gewichtiges Faktum in Nah-14
    ost...«25
    Zu religiöser Euphorie besteht nicht der geringste Anlaß; der Schlußstrich unter den AntiJudaismus, den manche erhoffen, ist nicht gezogen. Die Diplomatie des Vatikans hin oder her, die Got-tesmordthese bleibt zumindest im Evangelium aufrechterhalten.26
    Und daher steht der Vertrag des Heiligen Stuhls mit Israel, dem Nationalstaat des jüdischen Volkes, vorsichtig ausgedrückt, »in interessantem theologischen Widerspruch zu den Lehren des
    Neuen Testaments«27. Im übrigen ließ sich der Vatikan seinen
    Verzicht auf Antisemitismus und Einmischung in »alle rein temporären Konflikte« (umstrittene Territorien, ungeregelte Grenzen) kräftig honorieren: Er setzte Abmachungen über den Schutz des Status quo in den christlichen heiligen Stätten (Jerusalem selbst wird nicht erwähnt), die Anerkennung der katholischen Erzie-hungsautonomie, das Recht der Kirche auf Eigentum und die Steuerfreiheit der katholischen Kirche in Israel durch.
    Das Evangelium ist sich seiner Sache nach wie vor sicher: Jesus aus Galiläa, vom jüdischen Hohenpriester als Opfer gekennzeichnet und entsprechend denunziert, muß ans Kreuz der Römer. Der Verfasser des dem Johannes zugeschriebenen Evangeliums fertigt daraus seine Opfertheorie (Joh 11,50 und 18,14), und auch der Autor des zweiten Korintherbriefes zog die ihm passenden Schlüsse (2 Ko 5,14).
    Die Christenheit wird nicht viel Zeit vertun, bis der unmenschlich gewichtende Satz, einer müsse für alle sterben, nicht mehr in antijudaistischer Attitüde auf »Jesus« bezogen wird. Bald, schon kurz nach dem Kreuzestod Jesu, gilt er sinngemäß für jene, die psychisch und physisch vernichtet werden sollen, damit nichts anderes als die christliche Kirche überlebe. Allerdings hüten sich Christen bis heute, Parallelen zwischen jenem einzelnen, dem »Stifter« ihrer Großkirche, und den vielen Menschen zuzulassen, die die großkirchliche Ideologie nicht überleben durften. Da Schweigen christliche Devise blieb, werde ich Opfer und Täter benennen.
    Propaganda der ausgewogenen Gewissen
    Erschiene dieses Buch besser in Schwarz als in Rot? Ich kann mir vorstellen, daß andere die Buchseiten lieber konturenlos, unleser-15
    lich, tiefschwarz sähen. Das käme ihrem Interesse gerade recht: Von Verbrechen zu lesen, zumal von den im Namen Christi geschehenen und im christlichen Milieu geschehenden, ist ihre Sache nicht. Also die Fakten eingeschwärzt, vergessen, verdrängt, ab auch mit diesem Buch in den Papierkorb. Dunkelheit wirkt auf solche Psychen ungewöhnlich heilsam.
    Wer keine Zusammenhänge zwischen Religion und Foltergewalt
    herstellen kann oder will, braucht sich bloß ein wenig umzu-
    schauen: Schon der Blick auf das nächste Kruzifix genügt, um die Augen für das Thema zu öffnen.28 Und der progressivste Theologe wie der netteste
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