Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sex and the Office

Sex and the Office

Titel: Sex and the Office
Autoren: Eva Sternberg
Vom Netzwerk:
herumliegenden Zigarettenschachtel. Der Name sagte mir nichts, und ich spürte einen Anflug von Panik in mir aufsteigen. Schön ruhig bleiben, Charly, du hast alles unter Kontrolle. Mit schweißnassen Händen lenkte ich den Mini durch die Berliner Innenstadt und fragte mich, was augenblicklich das größere Übel war: dass ich geradewegs auf eine Polizeikontrolle zufuhr, obwohl ich vor zwei Wochen meinen Führerschein abgenommen bekommen hatte, oder aber die Tatsache, dass ich noch nie im Leben von diesem Manager oder, besser gesagt, Ex manager eines bedeutenden Automobilkonzerns gehört hatte, den ich in genau – ich sah rasch auf die Uhr – sieben Minuten vor laufender Kamera interviewen sollte. Und das alles an meinem ersten Tag! Ich hatte davon gehört, dass man als Newbie beim Fernsehen direkt ins kalte Wasser geworfen würde, dass dieses Wasser aber so kalt sein würde, hätte ich mir wahrlich nicht träumen lassen. Ich nahm den Fuß vom Gas und näherte mich dem Streifenwagen, bemüht, eine gleichmütige Miene aufzusetzen. Etwa so wie mein Mitbewohner Max, wenn ich ihn in der Küche antraf, in der wieder einmal das reinste Chaos herrschte, er Spüldienst hatte, sich aber in keinster Weise bemüßigt fühlte, einen Finger zu krümmen. Nicht dass ich penibel wäre, aber sobald es im Spülbecken zu krabbeln anfängt, hört bei mir der Spaß auf. Ich fuhr zielstrebig geradeaus weiter und spürte, wie mir der Schweiß auf die Stirn trat. Doch meine Gebete wurden erhört, und ich wurde durchgewinkt. Kaum war der Streifenwagen im Rückspiegel verschwunden, schnappte ich mir mein Handy und wählte Max’ Nummer. Freizeichen. Komm schon, geh ran! Ungeduldig rutschte ich auf dem Sitz herum. Als ich an der roten Ampel stand, hatte ich mich schon fast damit abgefunden, auf meinen Telefonjoker verzichten zu müssen, da nahm Max endlich ab. Mir fiel ein Stein vom Herzen. »Max, ich bin’s, Charly, ich brauche dringend deine Hilfe – bist du gerade im Internet?« Max war die meiste Zeit seines Lebens entweder am Meditieren, mit seinem schamanischen Trommelritual beschäftigt – was mir tierisch auf die Nerven ging – oder aber im Internet unterwegs. »Hör zu, du musst bitte auf der Stelle etwas für mich nachschauen!« Meine Stimme überschlug sich, als plötzlich ein Hupen hinter mir laut wurde und mich so ein Idiot darauf aufmerksam machte, dass die Ampel auf Grün gesprungen war. Ruckartig fuhr ich an und buchstabierte Max den Namen von der Zigarettenschachtel. Ich hörte Max auf seiner Computertastatur tippen, ehe er nach endlos langen Sekunden antwortete: »Laut Wikipedia ist der Typ …«, er unterbrach sich, »… sag bloß, du hast ein Date mit dem!«
    »Gott, nein!«, entgegnete ich und schüttelte den Kopf, wenngleich Max mich am anderen Ende der Leitung nicht sehen konnte. »Es ist viel schlimmer: Heute erscheint seine Autobiografie, und ich bin auf dem Weg zur Buchpräsentation und habe keinen Schimmer, was ich diesen Typen fragen soll …«
    »Oh, Charly.« Max seufzte und ratterte in Windeseile herunter, was im Netz über diesen Exmanager stand. Ich presste mein Handy ans Ohr, um Max trotz des Petry’schen Gegröles zu verstehen. Sieh an, offenbar ging es im Ressort Wirtschaft weitaus weniger langweilig zu, als ich angenommen hatte, dachte ich, und notierte mir hellauf begeistert Schlagwörter wie Lustreisen, Sexpartys und Korruptionsskandal. Während ich im Kopf bereits einen Fragenkatalog zusammenstellte, legte Max mir nahe, mich im Zweifel lieber zurückzuhalten. Doch Zurückhaltung war nun wirklich nicht mein Ding, und fest stand: Um meinen Chef zu beeindrucken, musste ich origineller und schlichtweg provokativer sein als die anderen. »Max, du bist ein Schatz!« Erleichtert beendete ich das Telefonat just in dem Moment, in dem ich den Wagen vor der Buchhandlung zum Stillstand brachte .
    Bereit, die Welt zu verändern, klackerte ich auf meinen Absätzen auf den Eingangsbereich zu. An diese Hacken würde ich mich niemals gewöhnen, dachte ich noch, als ich mich der Lesebühne näherte, auf der sich der Mann der Stunde bereits den Fragen der Journalisten stellte. Verwundert, wie wohlgesonnen die anwesenden Journalisten diesem skandalträchtigen Exmanager waren, gesellte ich mich zu meinem Kamerateam, das mir am Morgen auf dem Flur vorgestellt worden war. Während immerzu von diversen Auszeichnungen und Ehrendoktorwürde die Rede war, kam seitens der Journalisten keine einzige Frage zum Sexskandal.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher