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Sex and the Office

Sex and the Office

Titel: Sex and the Office
Autoren: Eva Sternberg
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und Belastbarkeit. Hatte ich schon erwähnt, dass ich neben meinen beiden älteren Schwestern noch einen jüngeren, rotzfrechen Stiefbruder habe, auf den ich gefühlt mein halbes Leben hatte aufpassen müssen? Auch hier machte ich gedanklich ein Häkchen.
    – Affinität im Bereich Neue Medien und Recherche. Ich dachte scharf nach und rief mir in Erinnerung, wie ich meinen Exfreund Hendrik anhand seines Smartphones geortet hatte und ihm so auf die Schliche gekommen war, dass er keineswegs mit seinen Eltern im Theater gewesen war, sondern einen lauschigen Abend an jenem Ort verbracht hatte, an dem keine Geringere als seine Ex wohnte. Ich machte erneut einen Haken.
    – Letzte Voraussetzung: Führerschein Klasse B.
    Na schön, jetzt haben Sie mich eiskalt erwischt. Dabei war es nicht meine Schuld, dass mir so ein Vollidiot vor zwei Wochen die Vorfahrt genommen hat und ich um ein Haar einen Fußgänger überfahren hätte. Dass dieser Fußgänger ausgerechnet eine Politesse sein musste, war natürlich Pech. Meinen Lappen war ich jedenfalls vorerst los. Da ich mir ohnehin keine großen Chancen ausrechnete, in die engere Wahl für dieses Praktikum zu kommen, beschloss ich, dieses lästige Führerscheindetail einfach unter den Tisch fallen zu lassen und mein Glück dennoch zu versuchen. Und so verbrachte ich die kommenden Tage und Nächte mit einem Notizblock und entsprechend reichlich Proviant vor dem Fernseher, um mir die besagte NEWS -Sendung zu jeder vollen Stunde anzusehen und genauestens zu analysieren. Anschließend legte ich meiner Bewerbung eine spektakuläre Themenliste bei, die dem Profil der Sendung entsprach und die ich in einer Konferenz vortragen würde, sofern ich je die Chance dazu bekäme.

2
    Acht Tage später
    Es war ein regnerischer Morgen Anfang Juni, und mein Kopf fühlte sich an, als wäre ein ganzer Vogelschwarm darin eingesperrt. Obwohl ich jegliche Hoffnung, in diesem Jahrhundert noch eine Antwort von dem besagten Privatsender zu erhalten – geschweige denn von irgendeinem anderen Unternehmen, bei dem ich mich beworben hatte –, längst begraben hatte, schlurfte ich wie jeden Morgen zum Briefkasten. Siehe da, ich zählte gleich fünf Antwortschreiben potenzieller Arbeitgeber. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch öffnete ich die Briefe. Alle fünf waren Absagen – für mich ein neuer Tiefstand. Na bravo. Ich nahm die übrige Post heraus und schlenderte zurück zum Treppenaufgang, da entdeckte ich zwischen diversen Rechnungen und Flyern neu eröffneter China-Imbisse einen weiteren Brief. Er trug den Absender der Redaktion NEWS direct. Im Gehen riss ich ihn auf, da wurde mir einmal mehr klar, dass ich am Abend zuvor eindeutig zu viel gekifft hatte; denn allem Anschein nach waren meine Sinne noch immer so vernebelt, dass ich mir einbildete, eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhalten zu haben. Ich hätte wirklich auf Max hören sollen, als er mich vor der Kombination von Hasch und Tequila gewarnt hat. Stattdessen hatte ich einen Joint nach dem anderen geraucht und im gleichen Takt fröhlich Tequila nachgeschenkt. Ich war schon auf halbem Weg zur Altpapiertonne, als ich plötzlich wie angewurzelt stehen blieb und abermals hastig das Schreiben überflog. Ich traute meinen Augen kaum. Die Einladung war tatsächlich real. YES ! Ich machte Luftsprünge und wäre der alten Wittmann, die mit ihrem kläffenden Yorkshire-Terrier an mir vorbeilief, am liebsten um den Hals gefallen und mit ihr durch den Hausflur getanzt. Bald schon würde mein Leben mit Liebe und Erfolg gesegnet sein, wenn ich nur hart genug an mir arbeitete oder so ähnlich, hatte es die Wahrsagerin prophezeit. Ob das auch für das Volontariat galt, würde sich noch herausstellen. In jedem Fall war ich inzwischen überzeugt: Diese Wahrsagerin war jeden Cent wert.

3
    An einem sonnigen Tag Mitte Juni
    Nach zwei Wochen und vier Tagen war es dann soweit: Das Vorstellungsgespräch stand unmittelbar bevor. Max hatte mir nahegelegt, mein Outfit, das sich seit Menschengedenken auf Jeans und T-Shirt beschränkte, gegen eine Bluse und einen knielangen Rock einzutauschen sowie meine bequemen Turnschuhe gegen ein Paar Stilettos. Dabei fand ich mich eigentlich ganz okay, so wie ich war, schließlich bewarb ich mich um ein Praktikum im Ressort Kultur und Gesellschaft und nicht als Anwärterin der Heidi-Klum-Show. Doch Max vertrat die Überzeugung, dass so ziemlich jedes weibliche Wesen in der Fernsehindustrie mindestens sieben Zentimeter hohe
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