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Serenade für Nadja

Serenade für Nadja

Titel: Serenade für Nadja
Autoren: Zülfü Livanelli
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ob ich von der DVD eine Kopie haben könne, und die wurde mir gleich für den folgenden Tag zugesagt. Mit seltsamen Gefühlen nahm ich von dem SAD-Team Abschied. Zu Hause gab ich meine Eindrücke in den Computer ein.
    Am nächsten Tag flog ich zurück nach Bodrum.
    Zwei Monate verbrachte ich mit der Übersetzung, mit meinen Erinnerungen, mit meiner Familie. Es waren ruhige, schöne Tage. Ich schlief viel, ging abends am Strand spazieren, legte durch die Bemühungen meiner Mutter zwei Kilo zu und erledigte die Hälfte der Übersetzung. Abgesehen davon ereignete sich nichts Nennenswertes.
    Dann bekam ich eines Tages eine Mail von einer mir unbekannten Nancy Anderson.
    Sie schrieb mir, als frühere Assistentin von Professor Wagner sei sie von der Universität gebeten worden, dessen Freunde darüber zu informieren, dass der Professor ins Krankenhaus eingeliefert worden sei und sich in einem kritischen Zustand befinde.
    Eine Weile saß ich reglos am Schreibtisch und dachte nach. Bis ich mich plötzlich wunderte, dass ich überhaupt zögerte. Es war doch völlig klar, was ich machen würde, nämlich nach Amerika fliegen und Max besuchen, was sonst? Ich schrieb Nancy Anderson zurück, bedankte mich bei ihr und kündigte meinen Besuch an.
    Dann meldete ich mich bei Tarık und fragte ihn, ob er nicht auch beim Amerikanischen Konsulat Bekannte habe. Als Arbeitslose hatte ich keine Chance, ein Visum zu bekommen.
    »Kein Problem«, sagte Tarık, der immer für alles eine Lösung fand. »Wir geben dich als Angestellte unserer Firma aus. Für Broker haben die Amerikaner etwas übrig. Das kriegen wir schnell hin.«
    »Und Geld bräuchte ich auch wieder. Diesmal Dollar.«
    »Keine Sorge, du kannst jederzeit was abheben. Na, habe ich mir jetzt ein Abendessen verdient?«
    »Hast du«, erwiderte ich lachend. »Aber erst, wenn ich aus Amerika zurück bin.«
    »O.k. Bye!«
    Schon mehrfach ist durchgesagt worden, dass der Landeanflug ansteht und alle elektronischen Geräte ausgeschaltet werden müssen, und die Stewardess Renata wirft mir auffordernde Blicke zu, meinen Laptop endlich zuzuklappen.
    Ich lächle freundlich und bedeute ihr, dass ich nur mehr eine Minute bräuchte. Da kommt sie auf mich zu und sagt mit ernster Miene: »Sie müssen ihn jetzt ausschalten.«
    »Den letzten Satz noch.«
    Meine Finger fliegen über die Tastatur:
    Bald landen wir, dann fahre ich mit dem Taxi zum Massachusetts General Hospital. Ich habe die Noten der Serenade und die DVD von dem Wrack in der Tasche. Wie Max wohl reagieren wird? Vor allem, wenn er die Noten sieht? Dann gee ich ihm die DVD und er seht die Bilder von der seit sechzig Jaaahren ruhende Struma.
    Log out.
    Ich sehe, dass ich in der Eile ein paar Tippfehler gemach habe, aber die Stewardess geht eif&ch nicht mehr we

Epilog
    Haben Sie schon mal einen Peruanischen Pfefferbaum gesehen? Mit seinen herabhängenden Zweigen, die wallen wie ein Brautkleid, seinem herben Duft und seinen roten Früchten?
    Oder eine Baum-Aloe? Allein vom Anschauen ihrer grünen Blätter meint man doch schon eine heilende Kraft in sich zu verspüren.
    Oder eine Bougainvillea? Die wird in manchen Gegenden wegen ihrer Farbenpracht »Brautschleier« genannt.
    All diese Pflanzen sehe ich gerade vor mir. Im Meer spiegelt sich wie verzaubert die Nachmittagssonne. Die Vorhänge blähen sich leicht im Wind, der es von den Bergen nach Thymian und Pinien duften lässt.
    Aus dem Nebenzimmer ist Geigenkratzen zu vernehmen. Es klingt wie eine knarrende Tür. Erste Übungsstunden hören sich bei jedem Instrument grässlich an, doch bei keinem ist es so schlimm wie bei der Geige.
    Ich bin glücklich, überglücklich.
    Wann ist ein Mädchen erwachsen? Wenn es seine erste Periode hat? Wenn es achtzehn wird? Wenn es heiratet? Oder beim ersten grauen Haar?
    So alt es auch wird, fühlt es sich doch nie erwachsen. Bis zum letzten Atemzug wird es voller Wünsche und Sehnsüchte sein.
    Und doch wird es vom Leben einem ständigen Wandel unterworfen. Vollbracht wird dieser Wandel unweigerlich von Männern. Im Rückblick sehe ich ein, dass ich selbst durch Ahmet gereift bin. Tarıks Einfluss ist geringer, aber nicht zu vernachlässigen. Die nachhaltigste Veränderung meiner Persönlichkeit habe ich jedoch einem alten Mann zu verdanken, mit dem michnur eine kurze Beziehung verband, ohne Liebe, ohne Sex, ohne gemeinsame Herkunft und Muttersprache.
    Es gibt jetzt eine andere Maya, eine ruhigere, liebevollere, verständnisvollere.
    In den letzten
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