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Septimus Heap 03 - Physic

Titel: Septimus Heap 03 - Physic
Autoren: Angie Sage
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aufgehört. Die Luft war frisch und klar, und Snorri sog tief die Gerüche des Landes ein. Sie waren ihr noch fremd und so ganz anders als die, die sie gewohnt war.
    Im Lauf des Abends kamen immer wieder kleine Gruppen von Gästen aus Sallys Cafe, bis sie kurz vor Mitternacht sah, dass Sally die Öllampen löschte und die Tür verriegelte. Sie lächelte glücklich. Jetzt hatte sie den Fluss ganz für sich allein. Nur sie, Ullr und die Alfrun , allein in der Nacht. Während das Boot in der zurückgehenden Flut sanft schaukelte, merkte sie, wie ihr die Augen zufielen. Sie legte die Liste mit den zugelassenen Gewichten und Maßen weg, wickelte sich noch fester in die Wolldecke und blickte ein allerletztes Mal auf den Fluss hinaus, bevor sie in ihre Kajüte hinabsteigen wollte. Und da sah sie es.
    Ein längliches Boot tauchte hinter dem Rabenstein auf. Es war hell und von einem grünlichen Licht umhüllt. Snorri verharrte ganz still und beobachtete, wie es langsam und geräuschlos in der Mitte des Flusses durchs Wasser glitt und der Alfrun immer näher kam. Bald gewahrte sie, dass es im Mondlicht schimmerte, und ein eisiger Schauer lief ihr über den Rücken, denn Snorri Snorrelssen, die Geisterseherin, wusste genau, was sie sah – ein Geisterschiff. Sie pfiff leise durch die Zähne, denn ein solches Boot hatte noch nie ihren Weg gekreuzt. Gewöhnlich sah sie nur Wracks alter Fischerkähne mit ertrunkenen Skippern am Steuer, die auf der Suche nach einem sicheren Hafen ewig umherirrten. Nur gelegentlich begegnete ihr der Geist eines Langschiffs, das sich nach blutiger Schlacht heimwärts schleppte, und einmal war ihr das Geistergroßschiff eines reichen Kaufmanns entgegengekommen, mit einem klaffenden Loch an der Seite, aus dem kostbare Fracht quoll, aber eine königliche Barke, noch dazu mit dem Geist ihrer Königin an Bord, hatte sie noch nie gesehen.
    Snorri stand auf, zückte das Geistermonokel, das ihr eine weise Frau im Eispalast geschenkt hatte, und richtete es auf die Erscheinung, die, angetrieben von acht Geisterrudern, lautlos vorüberglitt. Die Barke war mit Flaggen geschmückt, und der Wind, in dem sie flatterten, war schon längst abgeflaut. Sie war mit verschlungenen Mustern in Gold und Silber bemalt und mit einem prächtigen roten Baldachin bedeckt, der zwischen reich verzierte goldene Pfosten gespannt war. Unter dem Baldachin saß aufrecht eine hohe Gestalt. Ihre Augen blickten stur geradeaus, und ihr spitzes Kinn ruhte auf einer hohen, gestärkten Halskrause. Sie trug eine schlichte Krone und eine Frisur, die ohne Frage altmodisch war: zwei geflochtene Zöpfe, die wie Schnecken über ihre Ohren gelegt waren. Neben ihr hockte ein kleines, nahezu haarloses Geschöpf, das Snorri zunächst für einen besonders hässlichen Hund hielt, bis sie den langen, schlangenähnlichen Schwanz bemerkte, den es um einen der goldenen Pfosten gewickelt hatte. Das Geisterboot glitt vorüber, und Snorri zitterte, als ein Kälteschauer durch ihren Körper lief – denn von den Insassen des Bootes ging etwas anderes, etwas Körperliches aus.
    Sie steckte das Monokel weg und kletterte durch die Luke in ihre Kajüte hinab, während Ullr an Deck blieb und Wache hielt. Sie hängte die Lampe an einen Haken an der Decke, und das weiche gelbe Licht sorgte für wohlige Behaglichkeit. Die Kajüte war klein, denn auf einem Handelsboot beanspruchte der Frachtraum den meisten Platz, aber Snorri liebte sie. Ihr Vater Olaf hatte sie mit süß riechendem Apfelholz ausgekleidet, das er einst als Geschenk für ihre Mutter mit nach Hause gebracht hatte, und schön eingerichtet, denn er war ein geschickter Tischler gewesen. Auf der Steuerbordseite hatte er eine Koje eingebaut, die man zusammenklappen und tagsüber als Sitzbank nutzen konnte. Unter der Koje befanden sich saubere Schränke, in denen Snorri allerlei Krimskrams verstaute, und darüber waren breite Regale angebracht, in denen sie ihre Kartenrollen aufbewahrte. Auf der Backbordseite reihten sich ein herunterklappbarer Tisch, eine Kommode aus Apfelholz und ein kleiner Kanonenofen, dessen Ofenrohr in der Kajütendecke verschwand. Snorri öffnete die Ofenklappe, und der matte rote Schein einer verlöschenden Glut fiel heraus.
    Schläfrig kletterte sie in ihre Koje und schlüpfte unter die Decke aus Rentierfell. Sie lächelte zufrieden. Es war ein guter Tag gewesen – bis auf den Anblick des Geisterbootes. Es gab nur einen Geist, den Snorri sehen wollte, und das war der Geist Olaf
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