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Septimus Heap 03 - Physic

Titel: Septimus Heap 03 - Physic
Autoren: Angie Sage
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Snorrelssens.

* 2 *
    2.  Der Händlermarkt
     

    A m nächsten Morgen stand Snorri in aller Herrgottsfrühe auf, und Ullr, der sich wieder in eine magere rote Katze mit schwarzer Schwanzspitze, seine Taggestalt, verwandelt hatte, verspeiste gerade eine Maus. Snorri hatte die gespenstische Königsbarke völlig vergessen, und als sie ihr beim Frühstück, das aus Salzhering und dunklem Roggenbrot bestand, wieder einfiel, kam sie zu dem Schluss, dass sie das Ganze geträumt haben musste.
    Snorri zog den Sack mit den Mustern aus dem Laderaum, wuchtete ihn auf ihre Schultern und marschierte, aufgeregt und guter Dinge, die Laufplanke hinunter in die helle Morgensonne. Ihr gefiel dieses fremde Land, in das sie gekommen war. Sie mochte das grüne Wasser des träge fließenden Flusses und den Geruch nach Herbstlaub und Holzrauch, der in der Luft lag, und sie war beeindruckt von der mächtigen Burgmauer, die vor ihr in den Himmel ragte. Dahinter gab es eine ganz neue Welt zu entdecken. Sie erklomm den steilen Pfad, der zum Südtor führte, und sog tief die Luft ein. Es war kühl, aber längst nicht so frostig wie zu Hause, wo ihre Mutter in diesem Augenblick wahrscheinlich in ihrem dunklen kleinen Holzhaus am Kai aufwachte. Sie schüttelte den Kopf, um den Gedanken an ihre Mutter zu verscheuchen, und folgte dem Pfad zur Burg.
    Als sie das Südtor durchschritt, sah sie einen alten Bettler am Boden kauern. Ihr Volk glaubte, dass es Glück brachte, wenn man dem ersten Bettler, dem man in der Fremde begegnete, etwas gab, und so fischte sie einen Groschen aus der Tasche und drückte ihm das Geldstück in die Hand. Zu spät erkannte sie, dass der Bettler ein Geist war, denn ihre Hand ging durch seine hindurch. Der Geist blickte bei ihrer Berührung verdutzt, und erbost darüber, dass er passiert worden war, stand er auf und schwebte davon. Snorri blieb stehen und setzte ihren schweren Sack auf dem Boden ab. Sie schaute sich um, und ihre gute Laune erhielt einen Dämpfer. In der Burg wimmelte es von Geistern aller Art, und als Geisterseherin musste sie wohl oder übel alle sehen – ob die Geister ihr erscheinen wollten oder nicht. Wie sollte sie in diesem Gewimmel ihren Vater finden? Am liebsten hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre wieder nach Hause gesegelt, aber dann sagte sie sich, dass sie auch hierhergekommen war, um Handel zu treiben, und als Tochter eines namhaften Kaufmanns würde sie das auch tun.
    Die Nase im Stadtplan und den Geistern so gut es ging ausweichend, setzte sie ihren Weg fort. Es war ein guter Stadtplan, und schon bald passierte sie den alten Backsteinbogengang, der zur Gildehalle führte, und begab sich schnurstracks ins Händlerkontor. Das Kontor war eine offene Hütte mit einem Schild, auf dem stand:

    HANSEATISCHE UND NORDISCHE HANDELSGESELLSCHAFT.
    In der Hütte stand ein langer, auf Böcke gestellter Tisch, darauf zwei Waagen, allerlei Gewichtstücke und Gefäße und ein dickes Buch, und dahinter ein verhutzelter alter Kaufmann, der gerade Geld in eine große Kassette aus Eisen zählte. Mit einem Mal wurde Snorri nervös, beinahe so nervös wie gestern, als sie in Sally Mullins Cafe gegangen war. Jetzt schlug die Stunde der Wahrheit. Sie musste beweisen, dass sie berechtigt war, Handel zu treiben, und dass sie Anspruch auf Mitgliedschaft in der Handelsgesellschaft hatte. Sie schluckte schwer, dann betrat sie hoch erhobenen Hauptes die Hütte.
    Der alte Mann schaute nicht auf. Er zählte weiter die fremden Münzen, an die sich Snorri noch nicht gewöhnt hatte: Pennys, Groschen, Schillinge, halbe und ganze Kronen. Snorri hüstelte ein paar Mal, doch der alte Mann reagierte nicht. Nach ein paar Minuten hielt sie es nicht mehr aus. »Verzeihung«, sagte sie.
    »Vierhundertundfünfundzwanzig, vierhundertundsechsundzwanzig ...«, murmelte der Mann, ohne ein Auge von den Geldstücken zu wenden.
    Snorri blieb nichts anderes übrig, als zu warten. Fünf Minuten später verkündete der Mann: »Eintausend. Ja, Miss, was kann ich für Sie tun?«
    Sie legte eine Krone auf den Tisch und sagte ohne Stocken, denn sie hatte diesen Augenblick schon seit Tagen geprobt: »Ich möchte einen Handelsschein kaufen.«
    Der alte Mann musterte Snorri, die in einer Kaufmannstracht aus grobem Wollstoff vor ihm stand, und schmunzelte, als hätte sie etwas Dummes gesagt. »Bedauere, Miss. Dazu müssen Sie Mitglied im Kaufmannsbund sein.«
    Snorri verstand den Mann gut genug. »Ich bin Mitglied im Kaufmannsbund«,
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