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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann
Autoren: Clausia Puhlfürst
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ERFUNDEN WURDE. ANALOG ZU EINEM STETIG FALLENDEN WASSERTROPFEN, DER EINEN STEIN HÖHLEN KANN, ZURRTE MAN DIE OPFER IN VORRICHTUNGEN FEST, DAS GESICHT NACH OBEN GERICHTET, DAMIT SIE DIE TROPFEN SEHEN KONNTEN, DIE IHNEN ÜBER STUNDEN UND TAGE HINWEG AUF DAS GESICHT FALLEN WÜRDEN, EIN STETIGES TRÖPFELN EISIGEN REGENS.
    DER »TAUCHSTUHL«, EIN GERÄT, DAS IM MITTELALTER VORDERGRÜNDIG ZUR BESTRAFUNG »ZÄNKISCHER WEIBER UND HUREN« DIENTE, BESTAND AUS EINEM HOCKER, DER AN EINEM LANGEN BALKEN BEFESTIGT WAR. DAS OPFER WURDE DARAUF FESTGEBUNDEN UND DANN LANGSAM INS WASSER HINABGELASSEN, BEVORZUGT IN SCHLAMMIGE, FAULIGE
TÜMPEL, BIS DER SCHEITEL BEDECKT WAR. MAN KONNTE DIE GEFESSELTEN NACH BELIEBEN WIEDER HERAUSZIEHEN, ZUR BESINNUNG KOMMEN UND WIEDER HINABTAUCHEN LASSEN. »WATERBOARDING« WIRD BIS IN DIE HEUTIGE ZEIT VON VERSCHIEDENEN GEHEIMDIENSTEN ANGEWENDET. DAS OPFER WIRD SO FIXIERT, DASS SICH SEIN KOPF TIEFER ALS DER KÖRPER BEFINDET. SAUGFÄHIGES TUCH ÜBER DEM GESICHT WIRD STÄNDIG MIT WASSER ÜBERGOSSEN. DIE ATMUNG DES GEFOLTERTEN IST STARK ERSCHWERT, DAS GEFÜHL ZU ERTRINKEN NIMMT ÜBERHAND, SCHON NACH WENIGEN MINUTEN ERLISCHT DER WIDERSTAND.
    NOCH BESSERE ERGEBNISSE ERZIELT MAN MIT HEISSER ODER GAR KOCHENDER FLÜSSIGKEIT, DOCH NUR KALTES WASSER HINTERLÄSST KEINE SPUREN BEIM GEFOLTERTEN.
     
    Matthias Hase warf den Knebel auf den Boden und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Die Gestalt vor ihm lag wie ein nasser Sandsack auf den schmutzigen Fliesen. Die Augen hatte der Mann geschlossen. Leises Wimmern zeigte, dass er bei Bewusstsein war. Eine Fliege surrte durch die halbgeöffnete Tür.
    »Steh auf. Du bist nicht verletzt, also hoch mit dir.« Matthias trat gegen die Speckwülste an der Hüfte des Mannes, doch der krümmte sich nur stärker zusammen und schniefte. Von selbst würde der Typ sich nicht erheben. Er würde nachhelfen müssen.
    Jetzt bewegte sich der Gefangene leicht, drehte den Kopf zur Seite und schielte nach oben. »Lassen Sie mich frei, bitte. Ich habe Ihnen doch gar nichts getan!« Das weinerliche Gewinsel ging Matthias auf die Nerven. Wenn es um ihre eigene Gesundheit ging, wurden sie alle wehleidig. Er packte die auf dem Rücken gefesselten Arme und zerrte den Fettwanst in eine hockende Position. Der Mann öffnete die Augen, sah die Badewanne und die leeren Kanister daneben und heulte auf. Er schien zu ahnen,
was ihm bevorstand. Matthias überprüfte die Fesseln und schob den Gefangenen näher an die Badewanne heran. »Schau ruhig hinein! Ich habe genug Wasser aufgefüllt!« Das Winseln wurde zu einem Schluchzen. Gelber Rotz lief aus der Nase des Mannes. Matthias wandte den Blick ab und unterdrückte den Brechreiz. Er musste anfangen, bevor sein Gefangener wieder zu Kräften kam. Mit dem ganzen Körper drückte er den Mann dicht an die Wanne, packte dann die fettigen Haare und drückte den Kopf ins kalte Wasser.
    Dienstag, der 14. 07.
Liebe Mandy,
     
    wahrscheinlich wirst Du diesen Brief nie zu Gesicht bekommen. Wenn Du ihn aber liest, ist entweder irgendetwas verdammt schiefgegangen, oder ich habe meine Vorhaben geschafft.
    Ein Anfang ist jedenfalls gemacht  – einen von ihnen habe ich gefunden und bestraft. Davon will ich hier berichten, und da Du mir immer am nächsten gestanden hast, sollst Du auch als Einzige davon erfahren.
     
    Vielleicht erinnerst Du Dich nach all den Jahren längst nicht mehr, vielleicht denkst Du aber auch täglich an mich  – so wie ich an Dich  –, meine kleine Schwester. Eigentlich kann man diese Vergangenheit nicht vergessen, unsere gemeinsame Vergangenheit, man kann sie nur verdrängen; und manchmal wünschte ich mir, ich könnte das auch. Andererseits muss es aber jemanden geben, der Rechenschaft ablegt, der sich an jedes Detail erinnert. Und derjenige bin anscheinend ich. Das ist einerseits gut so, andererseits eine schwere Bürde. Wie gern würde ich auch Dir ein wenig von dem Kummer
nehmen, indem ich Dir schon jetzt diese Nachricht von meiner  – unserer  – Rache zukommen lasse, aber das wäre in diesem frühen Stadium zu gefährlich. Ich habe noch so viel zu erledigen, und ich möchte nicht, dass meine weiteren Vorhaben gefährdet werden. Nicht durch Dich, meine Kleine  – nie könnte ich glauben, dass Du mich verrätst!  –, aber durch unglückliche Umstände, Zufälle, Neugier anderer könnten die Pläne ans Licht kommen. Und das darf nicht geschehen, bevor ich mich dem Ziel nähere.
     
    Jetzt, meine liebe
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