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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann
Autoren: Clausia Puhlfürst
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Ermittlung zu dem vermuteten Kindesmissbrauch ihren Anfang nahm, in deren Folge immer mehr grausige Details ans Licht der Öffentlichkeit gelangten.
    Ein ehemaliger Heimbewohner, der inzwischen verstorben ist, berichtete, Direktor Badham sei für seine Grausamkeit bekannt gewesen: »Er hat mich vor versammelter Mannschaft so lange mit dem Stock geschlagen, bis ich blutete. Einem Jungen hat er dabei einen Finger abgetrennt.«
    Matthias schluckte mehrmals. In seinem Kopf lief ein Film ab, in dem ein Mann im schwarzen Anzug auf einen kleinen Jungen
eindrosch. Wie lange musste man mit einem Rohrstock auf eine Hand schlagen, bis ein Finger abgehackt wurde?
    Seit den Knochenfunden der vergangenen Woche haben sich bereits zehn weitere Personen gemeldet, die den sexuellen und körperlichen Missbrauch in dem Heim bestätigt und weiterführende Aussagen gemacht haben. Damit steigt die Zahl der Zeugen auf über hundert. Insgesamt wurden seit Beginn der Ermittlungen schon dreißig Verdächtige von der Polizei vernommen. Nur einer von ihnen wurde bisher angeklagt: Der ehemalige Wachmann Allan Waterford, der zehn Jahre in Haut de la Garenne tätig war, muss sich seit Januar wegen Kindesmissbrauchs vor Gericht verantworten. Er wurde wegen sexueller Übergriffe in drei Fällen angeklagt, weil er zwischen 1969 und 1979 mehrere Mädchen unter 16 Jahren missbraucht haben soll.
    Etwas flammte in Matthias’ Kopf auf wie eine altertümliche Blitzlichtlampe und verlosch sofort wieder.
    Laut den Angaben der Ermittler werde es immer deutlicher, dass sich möglicherweise noch Schlimmeres in dem ehemaligen Kinderheim abgespielt habe. Sie erhielten mehrere separate Hinweise, dass sich sterbliche Überreste von Kindern hier befinden könnten. Aus sicherer Quelle war zu hören, dass in den Kellerräumen verkohlte Knochenteile, Kinderzähne und Gegenstände, die wie Fußfesseln aussahen, gefunden worden seien. In einer Badewanne habe man eindeutige Blutspuren entdeckt.
    Die Polizei vermutet, dass es sich um Folterkeller gehandelt habe, in denen mindestens fünf Kinder im Alter von vier bis elf Jahren brutal ermordet worden seien. Die Untersuchungen werden noch mehrere Wochen andauern. Erste Obduktionsergebnisse
der gefundenen Leichenteile werden frühestens in vierzehn Tagen erwartet.«
    Der nächste Link führte ins Nichts. Die Seite war nicht erreichbar. Matthias griff nach der Wasserflasche, um zu trinken, und stellte fest, dass sie leer war. Seine Hände zitterten. Eine Stimme in ihm flüsterte, er sollte den Computer ausschalten, sollte die schrecklichen Berichte vergessen, die Bilder verdrängen. Wenn er nicht damit aufhörte, würde es schlimme Folgen für ihn haben.
    Nach dem Bericht eines ehemaligen Heimkindes, das in den 1960er Jahren dort untergebracht war, floh dessen damals 14-jähriger Freund Michael C. aus dem Heim und wurde nur kurze Zeit später erhängt an einem Baum aufgefunden. In zwei weiteren Fällen seien Jungen spurlos verschwunden. Man habe sie als vermisst gemeldet und es hieß: »Sie sind wieder nach Hause gegangen.« Der Zeuge sagte aus, dass ihm dies aus heutiger Sicht fraglich erscheint.
    »Wissen Sie, das waren alles Kinder, die keiner wollte«, sagte ein ehemaliger Anwohner. »Jeder in St. Martin wusste, dass in dem Heim hart durchgegriffen wurde, aber nichts anderes wurde in der damaligen Zeit erwartet.« Er zieht das Fazit: »Es wundert mich eigentlich nicht, dass dort Kinder verschwunden sind. Sie waren ja schon fast verschwunden, als man sie dahin brachte.«
    Ein Name loderte in dunkelroten Lettern vor Matthias’ Augen: Peter. Dann machte irgendetwas in seinem Kopf Knack . Eine Tür ging auf. Es wurde dunkel.

2
    WASSER IST EIN GUTES MITTEL, UM MENSCHEN ZU QUÄLEN. ES HINTERLÄSST KEINE KÖRPERLICHEN SPUREN UND IST DAMIT EINE KLASSISCHE METHODE DER »WEISSEN FOLTER«. WASSER GIBT ES ÜBERALL. MAN KANN ES LEICHT BESCHAFFEN UND EINFACH WIEDER LOSWERDEN, UND ES BEDARF KEINER AUFWÄNDIGEN VORBEREITUNGEN.
    DIE MÖGLICHKEITEN, JEMANDEN MITTELS WASSER ZU FOLTERN, SIND SO VIELFÄLTIG WIE IHRE ANWENDER. DIE INQUISITION ZWANG IHRE OPFER ZUM TRINKEN. MASSKRUG UM MASSKRUG WURDE DEM GEFESSELTEN DELINQUENTEN EINGEFLÖSST, SECHS LITER BEI DER »KLEINEN WASSERFOLTER«, ZWÖLF BEI DER GROSSEN, BIS SEIN BAUCH SCHIER ZU PLATZEN DROHTE UND ER GESTAND, WAS IMMER DIE PEINIGER VON IHM VERLANGTEN. EINE VERFEINERTE FORM WURDE »CHINESISCHE WASSERFOLTER« GENANNT, OBWOHL ES KEINE BEWEISE DAFÜR GIBT, DASS SIE TATSÄCHLICH IN CHINA
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