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Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal
Autoren: Christian Mähr
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er das gemacht? Ist ja auch völlig unerheblich ...«
    »... ich glaube, ich verstehe. Ich soll mich damit beschäftigen, wer diese Frau Mießgang wirklich war und warum sie mir ... all das vorgespiegelt hat?«
    Der Pfarrer klatschte in die Hände. »Dazu ein Tipp: ›Sein Mund ist voll Fluchens, Falschheit und Trug; seine Zunge richtet Mühe und Arbeit an – Psalm 10, Vers 7.‹«
    »Und wer macht diese üblen Dinge?«
    »Der Gottlose. Die Verse beziehen sich auf den Gottlosen.«
    »... seine Zunge richtet Mühe und Arbeit an ...«, wiederholte Semmler leise. Der Pfarrer sah ihn unverwandt an, Semmler blieb eine Weile still, dann sagte er: »Das passt genau, das kommt hin ... Mühe und Arbeit.«
    »Da steckt, scheint mir, noch mehr dahinter als eine erotische Affäre. Also reden Sie!«
    »Setzen Sie sich, Herr Pfarrer, das wird ein bisschen dauern.«
    Der Geistliche nahm auf den Stufen Platz, die zum Altar hinaufführten.
    Semmler erzählte alles. Vom Tag der Überschwemmung bis zu Ursulas Krankheit. Die nahm den breitesten Raum in seiner Erzählung ein. Semmler erwähnte alle Ärzte, die sie aufgesucht hatten und referierte bis ins Einzelne die Gutachten. Der Pfarrer schien sich mehr für Ursulas Krankheit zu interessieren als für die Vorgeschichte.
    »Eine organische Ursache ist also ausgeschlossen?«
    »Völlig. Kein Tumor, kein gar nichts ...«
    »Ich sehe nicht, wo das diagnostische Problem liegt: Wenn die Symptome einer ausgeprägten Depression vorliegen, dann wird es halt auch eine sein!«
    »Aber sie spricht auf keine Medikamente an! Sie liegt nur in ihrem Zimmer und ist ... apathisch. Sie hat keinen Kontakt mehr zur Außenwelt. Ich kann sie nicht dazu bewegen, auch nur spazieren zu gehen. Sie hat das Haus seit drei Monaten nicht mehr verlassen! Verstehen Sie mich recht, Herr Pfarrer, es geht mir nicht darum, dass ich den ganzen Haushalt machen muss, obwohl mir das schwer fällt mit dem Bein. Es geht vielmehr darum, dass nicht nurkeine Besserung eintritt, sondern dass es immer schlimmer wird ...«
    »Hat man schon einmal die Möglichkeit einer Einweisung erwogen?«
    »Das will ich nicht! Das will ich auf keinen Fall! Wenn ich sie einweisen lasse, kommt sie nicht mehr raus, das weiß ich, das wäre ...«
    »Was wollen Sie?«, unterbrach ihn der Pfarrer.
    »Dass sie gesund wird natürlich!«
    »Verzeihen Sie, ich bin vielleicht etwas schwer von Begriff. Aber im Gegensatz zu allen anderen Menschen besitzen Sie doch eine unfehlbare Methode, Ihre Wünsche durchzusetzen. Sie brauchen doch nur dem ... wie war das ... ?«
    »... dem Universum ...«
    »... dem Universum einen Deal anbieten. Das hat doch jetzt schon, wenn ich richtig mitgezählt habe, viermal funktioniert. Stattdessen eiern Sie monatelang herum und suchen diese Frau Mießgang. Warum? Was soll die Ihnen raten oder sagen, was sie nicht schon geraten oder gesagt hat ... ?«
    »Ich hab nichts mehr!«, rief Semmler. »Als Angebot, als Opfer! Bei diesem Deal geht es um Opfer. Das muss in einem gewissen Verhältnis zum Gewünschten stehen ...«
    »... hat Frau Mießgang gesagt.«
    »So ist es. Ich weiß nicht, was ich jetzt noch opfern soll. Meine eigene Gesundheit ist ruiniert, mein Vermögen verloren, also ...«
    »Moment! Sie haben diese Wohnung ...!«
    »Nur Miete!«
    »Trotzdem. Sie könnten sie verlieren wie den teuren Wagen und das Haus.«
    »Das steht doch in keinem Verhältnis! Sie hat schon zweimal versucht ...«
    »... sich umzubringen, ach so. Dann geht es also um das Leben Ihrer Frau? Das ist was anderes ... Sie könnten Ihr eigenes Leben anbieten ... das wäre aber auch kontraproduktiv ...« Er schien laut nachzudenken.
    »Ich hätte ja dann nichts davon«, sagte Semmler.
    »Stimmt«, sagte der Pfarrer. »Die Frau ist gesund und Sie liegen auf dem Friedhof. Davon hätten Sie nichts. Ich kann mich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie auch bei den anderen Deals nicht besonders viel davon gehabt haben.«
    Semmler fixierte den anderen Leuchter, den noch nicht geputzten, und schwieg.
    »Ich weiß, man hat leicht reden, solang man nicht in der Haut des anderen steckt, aber für mich stehen Sie da wie ein kompletter Idiot ...«
    »Jedes einzelne Opfer war angemessen, das kann niemand bestreiten ...«
    »Mag sein – Wenn Sie aber alles zusammenzählen, haben Sie ein sehr schlechtes Geschäft gemacht. Sie sollte sich auch fragen, warum Frau Mießgang nicht mehr aufzufinden ist. Haben Sie dazu eine Idee?«
    »Nein.«
    »Weil sie ihre
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