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Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen
Autoren: Ingrid Noll
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Eindringen in Svens Haus keine Handschuhe getragen hatten; es gab also Fingerabdrücke. Außerdem hatten unsere Schuhe durch das auslaufende Wasserbett vielleicht feuchte Spuren auf der Treppe hinterlassen.
    Ein wenig hatte ich dann wohl doch geschlafen und im Traum einen Löwen besiegt. Als ich die Augen öffnete, saß Pu an meiner Seite und kraulte die schnurrende Katze. Sie hatte wohl schon lange auf mein Erwachen gewartet, denn sofort kam die hoffnungsvolle Frage: »Seven dead?«
    Ich nickte, und ihr Gesicht erhellte sich. Schläfrig langte ich nach meiner Tasche, die unter das Bett gerutscht war, und zog ihren Paß heraus. »Mrs. Seng Aroon Hilter! This is fer you!« sagte ich feierlich.
    Cora fuhr bei diesen Worten ebenfalls in die Höhe und starrte uns völlig desorientiert an.
    Damit wir durch das Klopfen nicht gestört wurden, hatte Pu den Zimmerkellner bereits auf dem Flur abgepaßt und den
    Frühstückswagen hereingeschoben. Nun weckte sie auch Kathrin und machte sich nützlich, während wir im Bad verschwanden; schließlich lagerte das komplette Mädchenpensionat wieder auf einem einzigen Bett. Mit ihrer Polaroidkamera machte Cora Fotos, wie wir herzhaft in frische Croissants bissen, Kaffee tranken und die Katze mit sahnegetränkten Weißbrotbröckchen fütterten.
    »An ein Katzenklo habt ihr nicht zufällig auch gedacht?«
    fragte Kathrin. »Aber nun erzählt mal, was eigentlich passiert ist.«
    Cora gab in knappen Zügen Auskunft, dann wandte sie sich auf englisch der erwartungsvollen Pu zu. »Dear Sister«, sagte sie, »wir haben dir zwar deinen Paß und deine Katze wiederbeschafft, bald erbst du auch Geld und ein Haus, aber wahrscheinlich kriegst du noch einen Haufen Ärger mit der Polizei. Sie werden dich in die Mangel nehmen, sobald sie über deinen toten Gebieter stolpern...«
    Pu nickte. »I kill Seven!« sagte sie stolz.
    »Sie hat wieder nix begriffen«, meinte Cora bedauernd.
    Doch Pus große Stunde kam, als sie uns über Details ihres Schreibens an Nisachon ins Bild setzte, denn dieser Brief war genaugenommen ein Hinrichtungsbefehl. Schon lange schwelte in der Frankfurter Rotlichtszene ein Krieg zwischen verschiedenen Zuhälterbanden. Es ging, wie so oft im Milieu, um die Aufteilung einzelner Reviere, um die Abwerbung exotischer Huren und zunehmend auch um den Rauschgiftmarkt. Ohne viel Federlesens hatte die Konkurrenz dem Schwitzkistl eine gewinnbringende Polin ausgespannt; im Gegenzug entführte Sven die rassige Mango. Als Hilter sie durch Dunkelhaft und Drogen gefügig machen wollte, war Mango an einer überdosierten Morphiumspritze gestorben.
    Da Nisachon diese Tatsachen den konkurrierenden Gangstern zutragen sollte, war fest damit zu rechnen, daß Sven über kurz oder lang ein toter Mann sein würde.
    »So weit, so gut«, sagte Cora, »dafür kriegt Pu bestimmt das Große Verdienstkreuz am goldenen Bändel. Aber wie soll es mit ihr weitergehen? Sie verfügt zwar wieder über ihren Paß, aber wenn sie jetzt mit uns nach Italien fährt oder sonstwie untertaucht, dann sieht das nach Flucht aus, und sie gerät in die vorderste Schußlinie. Pu muß freiwillig auf dem Kommissariat mit einer gut durchdachten Version vorsprechen. Mit welchem Alibi könnte sie zum Beispiel aufwarten?«
    Jede von uns grübelte vor sich hin.
    In etwas schärferem Tonfall wandte sich Cora direkt an Pu: »Wenn du ein Wort davon sagst, daß du drei Tage lang mit uns im Hotel gewohnt hast, dann soll dich der Teufel holen! Maja und ich wollen in eure Angelegenheiten nicht hineinverwickelt werden.«
    »Kathrin, das gilt auch für dich!« ergänzte ich.
    »Das ist doch selbstverständlich«, sagte Kathrin. »Denkst du etwa, ich würde mich so undankbar verhalten? Als ich mich nach Eriks Unfall bei der Polizei gemeldet habe, habe ich die WG als Adresse angegeben; schließlich bin ich dort ja wirklich eine Zeitlang untergekommen. Wir müssen den Jungs nur noch eine entsprechende Aussage einbleuen, damit sie uns nicht in den Rücken fallen.«
    Gemeinsam erarbeiteten wir eine Strategie. Spätestens dann, wenn über Sven Hüters Tod öffentlich berichtet wurde, sollte sich Kathrin mit Pu im Schlepptau bei der Polizei einstellen.
    Sie sollten glaubhaft versichern, daß sie sich in der Volkshochschule kennengelernt hätten, wo Pu sofort Vertrauen zu ihrer künftigen Lehrerin gefaßt habe. Als Pu die Leiche der toten Mango entdeckte, sei sie in Panik aus Svens Haus geflüchtet und habe Schutz bei Kathrin in Darmstadt gesucht.
    Die
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