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Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen
Autoren: Ingrid Noll
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die Hauswand gedrückt, verharrten wir mucksmäuschenstill.
    Über uns war es mit der nächtlichen Ruhe vorbei, es schepperte und rumpelte. Aus einem wütenden, aber
    unverständlichen Wortwechsel meinte ich den Namen Mango herauszuhören. Als mir plötzlich ein haariger Puschel um die Beine strich, explodierte die angestaute Hysterie, und ich sehne mir die Seele aus dem Leib, obwohl ich im Bruchteil einer Sekunde begriff, daß es die Katze sein mußte.
    Der Unbekannte im oberen Stockwerk verlor durch mein Zetermordio wohl ebenfalls die Nerven, denn unmittelbar darauf krachten zwei Schüsse.
    Wenige Sekunden später polterte es die Treppe hinunter, der Motor und der Hund heulten auf, der Spuk war vorbei.
    Dennoch blieben wir noch eine Weile wie angewurzelt stehen.
    »Cora«, flüsterte ich, »die Nachbarn werden den Notruf wählen! Wir müssen weg, gleich ist die Streife hier!«
    Sie schaute zu den umliegenden Fenstern empor, von denen nicht ein einziges plötzlich erleuchtet wurde; keine Menschenseele schien es zu interessieren, daß gerade Schüsse gefallen waren. Oder sollte die gesamte Aktion längst nicht so geräuschvoll abgelaufen sein, wie wir sie wahrgenommen hatten?
    Wir schlichen wieder zur Frontseite, um möglichst schnell auf der Straße zu entkommen. Die demolierte Haustür stand sperrangelweit offen.
    »Und wenn du dich auf den Kopf stellst, diese Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen«, zischelte Cora. »Warte hier auf mich, ich sehe schnell mal nach, wen es erwischt hat.« Sie wußte nur allzugut, daß ich ihr folgen würde.
    Der Eindringling hatte das Licht im Treppenhaus nicht wieder ausgeschaltet. Eilig warfen wir einen Blick in die Küche, in Wohn- und Eßraum und stolperten die Treppe hinauf, geradewegs ins Schlafzimmer; Wasser sickerte uns entgegen. Reglos lag Sven auf dem äußersten Kreisabschnitt des runden Betts. Die Kugel hatte ihn direkt zwischen die Augen getroffen.
    Meine Verstörung war so groß, als hätte ich ihn selbst erschossen.
    Cora meinte grinsend: »Wenn man nur ein wenig Geduld aufbringt, erledigen sich manche Dinge von allein.« Dabei war sie diejenige, die nie abwarten konnte.
    »Wir sollten hier nicht lange rumstehen und gaffen«, sagte ich. »Hältst du es für besonders witzig, wenn uns die Polizei in Gesellschaft einer frischen Leiche vorfindet?«
    »Wir besitzen ja noch nicht einmal eine Schußwaffe«, sagte Cora abwiegelnd und ließ ihre flinken Augen im Raum herumwandern. »Aber hallo, der Mörder hatte immerhin noch Zeit genug, um sich aus dem Safe zu bedienen«
    Ich trat an den offenstehenden Tresor, dessen Schlüssel steckte. Offensichtlich war er in der Eile nur unvollständig ausgeräumt worden, denn es lagen noch Papiere darin.
    »Nicht ohne Handschuhe!« ermahnte mich Cora. Die Fotos hatten unseren Vorgänger anscheinend genausowenig interessiert wie uns, aber zwischen den Aktaufnahmen entdeckte ich die Pässe von Pu und Kathrin.
    »Mitnehmen!« befahl Cora und war endlich damit einverstanden, daß wir Svens Haus verließen.
    Als ich die Autotür öffnete, sprang die Katze auf den Rücksitz, die - wie zuvor ihre Herrin - nicht an diesem unguten Ort zurückbleiben wollte. Bei unserem überstürzten Aufbruch hatten wir gar nicht bemerkt, daß sie uns in vorsichtigem Abstand leichtpfotig gefolgt war.
    Es begann bereits zu dämmern, als wir im Hotel ankamen, den Wagen in der Tiefgarage abstellten und von dort direkt mit dem Lift in unser Stockwerk gelangten.
    »Beneidenswert«, sagte Cora, als sie unsere fest schlafenden Auftraggeberinnen betrachtete, »die ahnen ja nicht, welchen
    Stress wir ihretwegen hatten! Weißt du eigentlich, welche Adresse Kathrin bei der Polizei angegeben hat?«
    »Das können wir morgen klären«, sagte ich, »jetzt sollten wir uns für einige Stunden flachlegen.«
    Cora sah das ein. Als sie ins Bad ging, hörte ich zu meiner Genugtuung, wie sie beim Zähne putzen erbärmlich würgen mußte. Die Katze hatte sich ohne sichtbare Zeichen der Verwunderung zu Pus Füßen niedergelassen.
    Obwohl wir nun eigentlich zur Ruhe kommen konnten, bekam ich kein Auge zu. Erik und Sven waren zwar keine besonders angenehmen Zeitgenossen, aber rechtfertigte das einen Mord? Erst allmählich klärten sich meine verworrenen Gedanken, und ich sah ein, daß wir nichts zu befürchten hatten. Svens Ermordung ging nicht auf unser Konto, und auch Erik hatten wir nur indirekt ins Jenseits befördert.
    Leider fiel mir aber auch ein, daß wir bei unserem ersten
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