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Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen
Autoren: Ingrid Noll
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Studenten mußten also zusätzlich bezeugen, daß sie Pu ein paar Tage lang Asyl gewährt hätten.
    »Eigentlich können wir jetzt das teure Hotel aufgeben«, sagte Kathrin. »Pu darf vorerst bei mir in meiner frischgeerbten Wohnung bleiben. Ins Westend will ich nicht mehr zurück. Als nächstes muß ich dringend bei Bernd anrufen!«
    »Was deinen Job angeht, brauchst du dir kein Bein mehr auszureißen«, sagte ich, »Bernd Koppenfeld hat dich hochkantig rausgeschmissen. Und wenn du dir einbildest, daß ich die Ethnologenwohnung in Ordnung bringe, dann bist du schief gewickelt!«
    »Bevor ihr euch ums Putzen streitet«, sagte Cora angeekelt, »sollten wir lieber ein bißchen feiern. Maja und ich sind in zwei Stunden weg von der Bühne, darauf könnt ihr Gift nehmen!«
    Als von Abschied die Rede war, wurde Kathrin plötzlich sentimental und hielt eine Dankesrede. In der Einleitung führte sie aus, daß niemand sich vorstellen könne, wie grauenvoll es sei, wenn man dem eigenen Mann den Tod wünsche.
    »Doch«, sagte Cora.
    Kathrin fuhr unbeirrt fort, wie grundlegend sie sich in Erik geirrt habe, wie sie von seiner feschen Erscheinung, seiner kühlen Arroganz und seiner sportlichen Ausstrahlung völlig geblendet gewesen sei. Er wiederum habe einzig und allein ein irregeleitetes zärtliches Gefühl für ihren kleinen Oberlippenbart gehegt, keineswegs aber Verständnis und Liebe für sie als Frau und Mensch. Da Kathrin nicht ohne Pathos sprach, traten Pu Tränen in die Augen, obwohl sie nichts verstand.
    »Und irgendwann kannst du es nicht mehr ertragen, ihm beim Essen zuzuschauen, du ekelst dich vor seiner Zahnbürste und seiner getragenen Unterwäsche, dir graut vor seinem ewig gleichen dummen Geschwätz«, ergänzte Cora.
    Durch diese Seelenverwandtschaft bestärkt, kam Kathrin endlich zum Abschluß und Höhepunkt ihrer Ansprache.
    Bevor sie eines Nachts das gemeinsame Heim für immer verließ, habe sie den schnarchenden Erik mit einem solchen Haß betrachtet, daß sie ein großes Messer aus der Küchenschublade geholt habe...
    »Und dann?« fragte ich gähnend.
    »Dann habe ich die Tür zugezogen«, meinte Kathrin, »Theorie und Praxis sind eben zwei Paar Stiefel. Aber ihr habt getan, wozu ich nicht fähig war, dafür werde ich euch ewig dankbar sein!«
    »Hoffentlich«, sagte ich und dachte an den Matisse.
    Nach einem Glas Sekt gerieten wir in eine euphorische Aufbruchstimmung.
    Kathrin rasierte sich, Pu wusch unsere BHS mit Shampoo und fönte sie trocken, Cora versuchte, ihren Flug nach Florenz zu erneuern, ich fing an zu packen. Als das Handy schließlich frei wurde, rief ich bei Jonas an. In den letzten Tagen hatte ich nicht den Mut dazu gehabt, weil ich ungern als pflichtvergessene Mama von meiner Schwiegermutter abgekanzelt wurde. Zum Glück meldete sich Jonas selbst und verhielt sich so lammfromm und zuckersüß, daß ich Unheil witterte. Ich sei jederzeit willkommen, sagte er, es gebe auch einiges zu besprechen.
    »Zum Beispiel?« fragte ich mißtrauisch.
    »Schließlich haben wir ein gemeinsames Kind«, sagte Jonas bedachtsam, »ein prächtiger kleiner Bursche. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es in dieser Entwicklungsphase normal ist, wenn... «
    »Was ist nicht normal?«
    »Gerlinde hat Bela ein paarmal zum Einkaufen mit nach Freiburg genommen. Du mußt wissen, sie näht alles selbst und stöbert gern in einem großen Stoffgeschäft nach Resten.
    Gestern haben wir in Belas Spielzeugköfferchen einen größeren Vorrat bunter Nähseide entdeckt.«
    Ich gab einen undefinierbaren Laut von mir, weil ich mir mühsam ein beifälliges Kichern verkniff.
    »Maja, ich weiß, dir fehlen jetzt die Worte«, fuhr Jonas fort, »und wie ich dich kenne, wirst du mir die Schuld an Belas Fehlverhalten zuschieben. Aber wir sind auf der Stelle mit ihm in den Laden gefahren, wo er das Diebesgut abliefern und sich entschuldigen mußte. Er hat bitterlich geweint.«
    »Wer ist wir?« fragte ich.
    »Gerlinde hat uns natürlich begleitet«, sagte Jonas.
    Einen Moment lang schwiegen wir beide. Dann meinte ich: »Es wird Zeit, daß ich Bela wieder zu mir nehme; er fehlt mir sehr.«
    Es hatte erstaunlicherweise keine zwei Stunden gedauert, bis wir reisefertig waren. Während Cora die Rechnung bezahlte, warteten Kathrin und Pu samt Katze in der Tiefgarage.
    Dann fuhren wir die Auffahrt hoch und ließen unser Gepäck vom Portier im Kofferraum verstauen; Cora verteilte Geld und startete. Vereinbarungsgemäß hielten wir zuerst auf dem
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