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Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen
Autoren: Ingrid Noll
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auf unsere Scheidung zu sprechen und schlug vor, die Auflösung der Ehe recht bald und in aller Freundschaft zu regeln.
    »Aber warum?« fragte ich gereizt. »Eine neue Heirat steht nicht an, zwei Rechtsanwälte kosten nur unnötiges Geld.«
    »Maja, seit Jahren lebst du in Italien! Inzwischen habe ich eingesehen, daß unsere Ehe ein jugendlicher Irrtum war.
    Noch sind wir aber beide im richtigen Alter, um einen neuen Partner zu finden. Von meinem Glauben her fällt es mir verdammt schwer, mich scheiden zu lassen, aber hier auf dem Dorf gehen die Uhren nun einmal anders«, sagte er. »Jeder weiß, daß ich verheiratet bin. So blöde es auch klingt, du vermasselst mir alle Chancen bei den Mädchen.«
    »Gerlinde?« fragte ich.
    Jonas nickte. »Eigentlich möchte ich sie dir gern vorstellen, sie wohnt ganz in der Nähe und hat sich sehr liebevoll mit Bela beschäftigt. Wahrscheinlich ist es noch nicht zu spät, auf einen Sprung bei ihr vorbeizuschauen!«
    Entgeistert starrte ich Jonas an. Neugier und Eifersucht mischten sich mit Ärger und Wut über ein solches Ansinnen, aber die Neugier siegte.
    Bald darauf merkte ich, daß meine Komplexe dieser Dorfschullehrerin gegenüber überflüssig waren. Die Freundin von Jonas war ein bißchen langweilig, nicht eigentlich hübsch, etwas bieder, außerdem mindestens vier Jahre älter als er. Nach dieser heimlichen Blitzanalyse versuchte ich, ihr durch weltmännisches Benehmen zu imponieren. Später ließ ich mir Belas Diebstahl schildern und bat mit geheucheltem Interesse um pädagogischen Rat. »Was hat er denn selbst zu seiner Verteidigung vorgebracht?« fragte ich.
    Gerlinde lächelte verständnisvoll. »Er behauptet, die Garnröllchen gefindet zu haben! Nun, bei einem kleinen Kind -sollte man keine Staatsaktion daraus machen, aber wichtig ist schon, daß es grundsätzlich begreift, was mein und dein, was recht und unrecht ist!«
    Ich verkniff mir eine mokante Spitze, weil ich im Grunde wußte, daß ihr moralisches Postulat durchaus berechtigt war.
    Nach einer halben Stunde brach ich gemeinsam mit Jonas wieder auf. Schon bald konnte ich Cora über spießige Details in Gerlindes Wohnung Bericht erstatten, daß beispielsweise alle die selbstgenähten Sofakissen stramm zum Fernseher ausgerichtet waren.
    »Ich will deinem Glück nicht im Wege stehen«, sagte ich zu Jonas, als ich mich am nächsten Morgen verabschiedete.
    »Unter einer Bedingung kannst du die Scheidung einfädeln: Du mußt geloben, daß ich das Sorgerecht für Bela erhalte und er nur die Sommerferien bei dir verbringt.«
    Er nickte dankbar, ich nutzte die Gelegenheit und bat: »Tust du mir noch einen Gefallen? Im Kofferraum liegen zwei Bilder, die einer Freundin gehören. Ihre Anschrift habe ich hier notiert. Könntest du sie netterweise nach Frankfurt schicken?«
    Er war so zufrieden mit unserer gütlichen Einigung, daß er mir versprach, sie persönlich bei Kathrin abzuliefern.
    Als Bela zu mir ins Auto kletterte, mußte sich Jonas allerdings noch einmal aufregen, weil kein Kindersitz vorhanden war; Cora hatte ihn anscheinend ausgebaut. »So lasse ich euch nicht fahren!« sagte der besorgte Vater und holte einen
    funkelnagelneuen Sitz aus dem eigenen Wagen.
    Dann kurvten wir noch einmal winkend um den Misthaufen und konnten endlich losfahren. Drei Minuten später stellte Bela die unvermeidliche Frage: »Wann sind wir endlich da?«
    Kurz vor Lugano wachte Bela auf, mußte aufs Klo und hatte Hunger. Mir ging es nicht anders. Nach einem reichlichen Essen hatte ich keine Lust mehr zur Weiterfahrt, denn ich hatte viel Schlaf nachzuholen. Ich suchte ein kleines Hotel und legte mich neben Bela aufs Bett. Lange ließ ich Coras Telefon läuten, aber es nahm wieder einmal kein Mensch den Hörer ab. Bei Kathrin hatte ich mehr Glück. Sie fragte nach meiner derzeitigen Telefonnummer, um zurückzurufen.

In Eriks Sekretär hatte sie einige tausend Mark gefunden und sich als erstes ein Mobiltelefon gekauft. »Weil du gesagt hast, sie überwachen mich vielleicht - und von meinem neuen Handy kann doch keiner etwas wissen! Auf der Polizei hat alles vorzüglich geklappt, Pu hat ihre Sache sehr gut gemacht. Im Augenblick bringt sie gemeinsam mit der tüchtigen Emine die Ethnologenwohnung wieder ins Lot.
    Was knurrst du so, hast du etwas dagegen? Übrigens habe ich morgen einen Termin bei Eriks Sekretärin. Bevor ich sie entlasse, kann sie mir noch in einigen bürokratischen Dingen zur Seite stehen!«
    Donnerwetter, dachte ich, die
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