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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz
Autoren: Bernhard Schlink , Walter Popp
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Schlemihl riß mich aus meinen müßigen Be-
    trachtungen. »Herr Doktor, darf ich Ihnen unsere Frau 15
    Buchendorff vorstellen? Sie leitet das Sekretariat von Herrn Direktor Firner.«
    Ich drehte mich um und stand einer großen, schlanken Frau um die Dreißig gegenüber. Sie hatte das dun-kelblonde Haar hochgesteckt und damit ihrem mit den runden Backen und vollen Lippen jungen Gesicht den Ausdruck von erfahrener Tüchtigkeit gegeben. An ihrer Seidenbluse fehlte der oberste Knopf, und der folgende war offen. Frau Schlemihl schaute mißbilligend.
    »Guten Tag, Herr Doktor.« Frau Buchendorff gab mir die Hand und blickte mich mit ihren grünen Augen direkt an. Ihr Blick gefiel mir. Frauen sind erst dann schön, wenn sie mir in die Augen sehen. Es liegt darin ein Versprechen, auch wenn es nicht eingelöst und nicht einmal gegeben wird.
    »Darf ich Sie zu Herrn Direktor Firner führen?« Sie ging vor mir durch die Tür, mit hübschem Schwung in Hüfte und Po. Schön, daß enge Röcke wieder Mode sind. Firners Büro lag im 19. Stock. Vor dem Fahr-stuhl sagte ich zu ihr: »Lassen Sie uns die Treppe nehmen.«
    »Sie sehen nicht aus, wie ich mir einen Privatdetektiv vorgestellt habe.«
    Ich hatte diese Bemerkung schon oft gehört. Inzwischen weiß ich, wie Leute sich Privatdetektive vorstellen. Nicht nur jünger. »Sie sollten mich im Regenmantel sehen!«
    »Ich meinte das positiv. Der im Trenchcoat hätte mit dem Dossier, das Ihnen Firner gleich geben wird, seine liebe Not gehabt.«
    16
    »Firner«, hatte sie gesagt. Ob sie was mit ihm hatte?
    »Sie wissen also, worum es geht.«
    »Ich gehöre sogar zu den Verdächtigen. Im letzten Vierteljahr hat mir der Computer jeden Monat fünfhundert Mark zuviel überwiesen. Und über mein Terminal hab ich Zugang zum System.«
    »Haben Sie das Geld zurückzahlen müssen?«
    »Ich bin kein Einzelfall. Betroffen sind 57 Kollegin-nen, und die Firma überlegt noch, ob sie zurückfordert.«
    In ihrem Vorzimmer drückte sie auf den Knopf der Sprechanlage. »Herr Direktor, Herr Selb ist da.«
    Firner hatte zugenommen. Die Krawatte kam jetzt von Yves Saint Laurent. Immer noch waren Gang und Bewegungen flink und der Händedruck nicht fester.
    Auf seinem Schreibtisch lag ein dicker Ordner.
    »Grüß Sie, Herr Selb. Schön, daß Sie sich der Sache annehmen. Wir dachten, es ist das beste, ein Dossier vorzubereiten, aus dem die Einzelheiten hervorgehen.
    Inzwischen sind wir sicher, daß es sich um gezielte Sa-botageakte handelt. Den materiellen Schaden haben wir bislang zwar begrenzen können. Aber wir müssen ständig mit neuen Überraschungen rechnen und können uns auf keine Information verlassen.«
    Ich blickte ihn fragend an.
    »Fangen wir mit den Rhesusäffchen an. Unsere Fern-schreiben werden über die Textverarbeitung erstellt und, wenn sie nicht dringend sind, im System gespei-chert; sie gehen dann raus, wenn der günstige Nachtta-rif gilt. So verfahren wir auch mit unseren indischen Be-stellungen; halbjährlich braucht unsere Forschungsab-17
    teilung rund hundert Rhesusäffchen, mit Exportlizenz des indischen Handelsministeriums. Statt über hundert ging vor zwei Wochen eine Bestellung über hunderttausend Äffchen raus. Zum Glück fanden die Inder das seltsam und fragten zurück.«
    Ich stellte mir hunderttausend Rhesusäffchen im Werk vor und grinste. Firner lächelte gequält.
    »Ja, ja, das Ganze hat komische Aspekte. Auch das Durcheinander bei der Tennisplatzverteilung hat allerhand Heiterkeit ausgelöst. Wir müssen jetzt jedes Telex noch mal angucken, ehe es rausgeht.«
    »Woher wissen Sie, daß es sich nicht um einen Tipp-fehler gehandelt hat?«
    »Die Sekretärin, die den Telextext eingegeben hat, hat ihn wie üblich zur Korrektur und Paraphierung durch den Sachbearbeiter ausdrucken lassen. Der Ausdruck weist die richtige Zahl aus. Also wurde am Telex manipuliert, als es im Speicher in der Warteschlange war. Wir haben auch die übrigen Vorfälle, die im Dossier enthal-ten sind, untersucht und können Fehler bei der Pro-grammierung oder Datenerfassung ausschließen.«
    »Gut, das kann ich im Dossier lesen. Sagen Sie mir noch etwas zum Kreis der Verdächtigen.«
    »Da sind wir konventionell vorgegangen. Von den Mitarbeitern, die eine Zugangsberechtigung oder –möglichkeit haben, haben wir alle ausgeschieden, die sich seit mehr als fünf Jahren bewährt haben. Da der erste Vorfall vor sieben Monaten passierte, entfallen alle, die seitdem eingestellt worden sind. Bei einigen
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