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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz
Autoren: Bernhard Schlink , Walter Popp
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photographieren zu lassen, und als wir an den Reportern vorbeifuh-ren, bückte ich mich nach dem Zigarettenanzünder unten am Armaturenbrett.
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    »Wie kommt es, daß der Smogalarm so schnell ausgelöst wurde?« fragte ich auf der Fahrt durch das ausge-storbene Ludwigshafen.
    Herzog zeigte sich gut informiert. »Nach den vielen Smogalarmen im Herbst 1984 haben wir in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz einen Modellversuch gestartet, mit neuen Technologien, auf neuer ge-setzlicher Grundlage, kompetenz- und länderübergreifend. Die Idee ist, die Emissionen direkt zu erfassen, mit dem Meteorogramm zu korrelieren und den Smogalarm nicht erst dann auszulösen, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Heute ist die Feuertaufe unseres Modells, bisher haben wir nur Probeläufe gehabt.«
    »Und wie klappt die Zusammenarbeit mit dem
    Werk? Ich habe mitbekommen, daß die Polizei an der Pforte zurückgewiesen wurde.«
    »Da sprechen Sie einen wunden Punkt an. Die chemische Industrie bekämpft das Gesetz auf allen Ebenen. Zur Zeit läuft die Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht. Rechtlich hätten wir in das Werk hineingekonnt, aber wir wollen in diesem Stadi-um die Sache nicht auf die Spitze treiben.«
    Der Rauch meiner Zigarette störte Herzog, und er machte das Fenster auf. »O je«, sagte er und kurbelte sofort wieder hoch, »machen Sie doch bitte Ihre Zigarette aus.« Ein stechender Geruch war durch das offene Fenster gedrungen, meine Augen begannen zu tränen, auf der Zunge hatte ich einen beißenden Geschmack, und wir beide bekamen einen Hustenanfall.
    »Ist schon gut, daß die Kollegen draußen ihre Atem-40
    schutzgeräte aufhaben.« In der Ausfahrt zur Konrad-Adenauer-Brücke passierten wir eine Straßensperre, und die beiden Polizeibeamten, die den Verkehr anhiel-ten, hatten Gasmasken auf. Am Rand der Auffahrt standen fünfzehn oder zwanzig Fahrzeuge, der Fahrer des ersten redete gerade gestikulierend auf die Polizeibeamten ein und gab, ein buntes Tuch vors Gesicht gepreßt, ein lustiges Bild ab.
    »Wie soll das heute abend mit dem Berufsverkehr werden?«
    Herzog zuckte die Achseln. »Wir müssen abwarten, wie sich das Chlorgas entwickelt. Wir hoffen, im Lauf des Nachmittags die Arbeiter und Angestellten der rcw rausschleusen zu können, das würde das Problem des Berufsverkehrs schon erheblich entlasten. Ein Teil der sonstwo Beschäftigten muß vielleicht am Arbeitsplatz übernachten. Wir würden das dann über Radio und Lautsprecherwagen bekanntmachen. Ich war vorhin erstaunt, wie rasch wir die Straßen leer gekriegt haben.«
    »Denken Sie an Evakuierung?«
    »Wenn die Chlorgaskonzentration in den nächsten zwölf Stunden nicht um die Hälfte sinkt, müssen wir östlich der Leuschnerstraße und vielleicht auch in der Neckarstadt und im Jungbusch räumen. Aber die Me-teorologen machen uns Hoffnung. Wo soll ich Sie absetzen?«
    »Wenn’s die Kohlenmonoxydkonzentration der Luft erlaubt, wäre ich froh, wenn Sie mich in die Richard-Wagner-Straße vor die Haustür fahren könnten.«
    »Allein wegen der Kohlenmonoxydkonzentration
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    hätten wir keinen Smogalarm ausgelöst. Das Schlimme ist das Chlor, da weiß ich die Leute am liebsten zu Hause oder im Büro, jedenfalls nicht auf der Straße.«
    Er hielt vor meinem Haus. »Herr Selb«, sagte er noch, »sind Sie nicht der Privatdetektiv? Ich glaube, mein Vorgänger hatte mal mit Ihnen zu tun – erinnern Sie sich an Regierungsrat Bender und diese Segelschiff-geschichte?«
    »Ich hoffe, wir haben hier nicht auch einen Fall zusammen«, sagte ich. »Wissen Sie schon etwas über die Ursache der Explosion?«
    »Haben Sie einen Verdacht, Herr Selb? Sie waren doch nicht zufällig am Ort des Geschehens. Hat man bei den rcw mit Anschlägen gerechnet?«
    »Davon weiß ich nichts. Mein Auftrag ist ver-
    gleichsweise harmlos und geht in eine ganz andere Richtung.«
    »Wir werden sehen. Vielleicht müssen wir Ihnen im Präsidium noch ein paar Fragen stellen.« Er blickte zum Himmel hoch. »Und jetzt beten Sie für einen kräftigen Wind, Herr Selb.«
    Ich ging die vier Treppen zu meiner Wohnung hoch.
    Der Arm hatte wieder angefangen zu bluten. Aber etwas anderes machte mir Sorgen. Ging mein Auftrag wirklich in eine ganz andere Richtung? War es Zufall gewesen, daß Schneider heute nicht zur Arbeit gekommen war? Hatte ich die Idee mit der Erpressung zu schnell verworfen? Hatte mir Firner am Ende noch gar nicht alles gesagt?
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    Ja, dann
    Ich spülte den
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