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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz
Autoren: Bernhard Schlink , Walter Popp
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gegriffen
    Im Foyer stand Schmalz.
    »Wie geht es Ihrem Söhnchen?«
    »Gut, danke, möchte gerne nachher noch mit Ihnen reden und danken. Bin im Moment unabkömmlich hier.«
    Ich ging die Treppe hoch und durch die offenen Flü-
    geltüren in den großen Saal. Man stand in kleinen Grüppchen zusammen, die Kellnerinnen und Kellner servierten Champagner, Orangensaft, Champagner mit Orangensaft, Campari mit Orangensaft und Campari mit Sprudel. Ich schlenderte ein bißchen herum. Es war wie auf jedem Empfang, bevor die Reden gehalten sind und das Büfett eröffnet ist. Ich suchte nach bekannten Gesichtern und fand die Rothaarige mit den Sommer-sprossen. Wir lächelten uns zu. Firner zog mich in einen Kreis und stellte mir drei Chinesen vor, deren Namen aus San, Yin und Kim in wechselnder Kombination bestanden, sowie Herrn Oelmüller, Leiter des Rechenzentrums. Oelmüller versuchte, den Chinesen zu erklären, was Datenschutz in Deutschland ist. Ich weiß nicht, was sie daran so komisch fanden, jedenfalls lachten sie wie Hollywood-Chinesen in einer Pearl-S.-Buck-Ver-filmung.
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    Dann wurden die Reden gehalten. Korten war fulmi-nant. Er schlug den Bogen von Konfuzius bis Goethe, übersprang Boxeraufstand und Kulturrevolution und erwähnte die ehemalige rcw-Niederlassung in Kiaut-schou nur, um den Chinesen das Kompliment zu flech-ten, daß der letzte Niederlassungsleiter dort von den Chinesen ein neues Verfahren der Ultramarin-Her-stellung gelernt habe.
    Der chinesische Delegationsleiter erwiderte nicht weniger gewandt. Er erzählte von seinen Studienjahren in Karlsruhe, verbeugte sich vor der deutschen Kultur und Wirtschaft von Böll bis Schleyer, redete Technisches, das ich nicht verstand, und schloß mit Goethes
    »Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen«.
    Nach der Rede des rheinlandpfälzischen Ministerprä-
    sidenten hätte auch ein weniger superbes Büfett charis-matisch gewirkt. Für die erste Runde wählte ich Safran-Austern in Champagnersoße. Gut, daß es Tische gab.
    Ich kann Stehempfänge nicht leiden, wo man, mit Zigarette, Glas und Teller jonglierend, eigentlich gefüttert werden müßte. An einem Tisch erspähte ich Frau Buchendorff und einen freien Stuhl. Sie sah bezaubernd aus in ihrem rohseidenen, anilinfarbenen Kostüm. Die Knöpfe ihrer Bluse waren vollzählig.
    »Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
    »Sie können sich einen Stuhl holen, oder wollen Sie die chinesische Sicherheitsexpertin gleich auf den Schoß nehmen?«
    »Sagen Sie, haben die Chinesen etwas mitbekommen von der Explosion?«
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    »Von welcher Explosion? Aber im Ernst, die waren gestern zuerst auf der Burg Eltz und haben danach am Nürburgring den neuen Mercedes ausprobiert. Als sie zurückkamen, war alles vorbei, und die Presse packt die Sache heute vor allem von der meteorologischen Seite an. Wie geht es Ihrem Arm? Sie sind so was wie ein Held – das konnte nun leider nicht in die Zeitungen kommen, obwohl es eine schöne Geschichte abgegeben hätte.«
    Die Chinesin trat auf. Sie hatte alles, was einen deutschen Mann von Asiatinnen träumen läßt. Ob sie wirklich die Sicherheitsexpertin war, fand auch ich nicht heraus. Ich fragte, ob es Privatdetektive in China gebe.
    »Kein Plivateigentum, keine Plivatdetektive«, antwortete sie und fragte, ob es in der Bundesrepublik Deutschland auch weibliche Privatdetektive gebe. Das führte zu Betrachtungen über die darniederliegende Frauenbewegung. »Ich habe fast alles gelesen, was in Deutschland an Flauenbücheln elschienen ist. Wie kommt es, daß Männel in Deutschland Flauenbüchel schleiben? Ein Chinese wülde sein Gesicht vellielen.«
    Grückriches China.
    Ein Ober übermittelte mir die Einladung an den Tisch von Oelmüller. Auf dem Weg nahm ich als zweiten Gang Seezungenröllchen nach Bremischer Ratsher-renart.
    Oelmüller stellte mir seinen Tischgenossen vor, an dem mich die pedantische Kunstfertigkeit beeindruckte, mit der er seine spärlichen Haare auf dem Schädel ar-rangiert hatte: Professor Ostenteich, Leiter der Rechts-49
    abteilung und Honorarprofessor an der Universität Heidelberg. Nicht zufällig tafelten diese Herren zusammen. Jetzt ging es an die Arbeit. Seit dem Gespräch mit Herzog beschäftigte mich eine Frage.
    »Könnten die Herren mir das neue Smogmodell er-klären? Herr Herzog von der Polizei hat es mir gegen-
    über angesprochen und auch erwähnt, daß es nicht ganz unumstritten ist. Was habe ich mir zum Beispiel unter der direkten Erfassung von Emissionen
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