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Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Titel: Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)
Autoren: Raphael M. Bonelli
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Moralverständnisses.« In »Asterix und der Kupferkessel« – um zur literarischen Hochkultur zurückzukehren – ist Moralelastix die Figur eines gallischen Stammeshäuptlings an der Steilküste, der meisterhaft seine verschlagenen Winkelzüge vor sich und den Seinen rechtfertigen kann und dessen moralische Flexibilität namensgebend wurde. Es wäre gefährlich, würde dieser Protagonist zum psychotherapeutischen Ideal stilisiert werden.
    Aufgabe der Psychiatrie und der Psychotherapie muss es sein, Schuldgefühle wahr- und ernst zu nehmen, also nicht vorschnell zu bagatellisieren, umzudeuten und wegzupsychologisieren. Viele Schuldgefühle werden allzu schnell verdrängt. Wenn sich Schuldgefühle zeigen, sollte der Therapeut primär einmal eine Ameise annehmen, mit der er behutsam umgehen muss. Legen wir die ideologische Brille ab, die in Schuldgefühlen eine therapiepflichtige Illusion sieht, weil sie Ameisen für denkunmöglich hält. Die wenigen Fälle von pathologischen Schuldgefühlen müssen vom Arzt ausgesondert und therapiert werden. Bei physiologischen Schuldgefühlen hingegen kann die Therapie durch mutiges »Der Schuld ins Auge sehen« zu einer höheren Stufe der Selbsterkenntnis verhelfen. Das Bewusstsein »Auch dazu bin ich fähig« führt zu jenem psychodynamischen Idealzustand, der Selbsterkenntnis und Selbstannahme erst möglich macht.
FALL 6 : Eine 34-jährige Frau, Dorothea G., meldet sich und ihren um zehn Jahre älteren Mann, Ronald G., zur Paartherapie an. Zunächst allerdings drängt sie auf ein Vier-Augen-Gespräch mit dem Psychiater, um ihm ihren Fall darzulegen. Eine Stunde lang warnt sie ihn wortreich und blumig vor ihrem manipulativen Mann, der ihr Glück zerstört habe und alle Leute einkochen könne. Sie seien seit einem halben Jahr verheiratet, er sei steinreich und seit der Hochzeit fürchterlich knausrig. Außerdem sei er sehr charmant, der Psychiater solle sich hüten, auf ihn hereinzufallen. Er dürfe ihrem Mann natürlich nicht sagen, dass sie bereits bei ihm gewesen sei und dass der Therapeut seine dunklen Seiten schon kenne. Ihr Ziel sei der Erhalt der Ehe, denn sie sei eine strenggläubige Katholikin, und Scheidung komme nicht in Frage. Außerdem wolle sie, dass er sich von Grund auf ändere, denn wie er sich benehme, das sei inakzeptabel. Er sei gefühlskalt, zu wenig großzügig und gehe seit der Hochzeit nicht mehr auf sie ein.
Sie fühle sich jedenfalls sehr mit den katholischen Prinzipien verbunden, besonders was die Ehe betrifft. Die sei unauflöslich. Auf Nachfragen kann der Psychiater herausfinden, dass sie sich für die Sonntagsmesse keine Zeit nimmt und auch sonstige Gebetsübungen aus Mangel an Gelegenheit nicht in den Tagesplan passten: »Ich bin ja keine Nonne!«
In der Woche darauf bringt sie den Übeltäter in die psychiatrische Praxis. Aus Gründen der Symmetrie spricht der Therapeut zuerst mit dem Ehemann alleine. Zu seiner Überraschung ist der Gatte recht vernünftig. Der Mann habe sich in ihr geirrt, man sei eben zusammen nur auf Partys in halb Europa gewesen, habe gemeinsam ein oberflächliches Leben mit Alkohol und Drogen geführt, und jetzt funktioniere der Alltag einfach nicht. Das tue ihm sehr leid, besonders für sie. Aber sie habe sehr auf die Ehe gedrängt, habe ihm auch eine Schwangerschaft vorgespielt, weswegen er sie dann standesamtlich geheiratet habe.
Auf erstaunte Nachfrage gibt er an, dass sie kirchlich nicht hätten heiraten können, weil Dorothea ja schon zuvor kirchlich verheiratet gewesen sei. Sie sei gar nicht religiös, komme zwar aus einem religiösen Haus und kenne das Vokabular, gebe das aber nur vor, wenn es ihr nutze.
Er gibt zu, dass seine Liebe zu ihr abgekühlt sei, da sie massiv kontrollierend geworden sei und hauptsächlich Zugang zu allen Bankkonten haben wolle. Er sehe keine Chance mehr für die Ehe. Sein Auftrag an den Therapeuten wäre eine friedliche Scheidung.
In der Sitzung zu dritt klärte der Psychiater kurz die Fakten: Tatsächlich war sie schon kirchlich verheiratet, aber die zweite, standesamtliche Ehe hält sie vor Gott für unauflöslich. Schließlich habe ein Pfarrer die Ehe auch gesegnet. Und das mit der Schwangerschaft habe sie damals wirklich geglaubt, zumindest anfangs, und dann … (undeutliches Gemurmel).
Der Psychiater wechselt das Thema und bittet, jeweils positive Dinge über den Partner aufzuzählen. Der Mann beginnt und gibt sich ernsthaft Mühe, ihre Stärken herauszuarbeiten. Er kommt auf sieben
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