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Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Titel: Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)
Autoren: Raphael M. Bonelli
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mussten dann in einem simulierten Gefängnis arbeiten und leben. Binnen einer Woche musste das Experiment abgebrochen werden, da normale Studenten sich in brutale, sadistische Wärter oder emotional gebrochene Gefangene verwandelt hatten. Im Abu-Ghraib-Gefängnis im Irak verübten US-Soldaten in der Realität unfassbare Grausamkeiten gegenüber den Gefangenen.
    Der Forscher analysiert in seinem wissenschaftlichen Werk Strukturen des Bösen, also Strukturen, die auch einen anscheinend anständigen Menschen in Versuchung führen können. Als Quintessenz seiner Forschungen formuliert Zimbardo nun einige psychische Voraussetzungen, um sich erfolgreich einer malignen Dynamik zu entziehen: Wir wollen damit anfangen, das Eingeständnis von Fehlern zu ermutigen, zuerst uns selbst und dann anderen gegenüber. « Und später noch deutlicher: »Sagen Sie die Zauberworte: ›Es tut mir leid‹, ›Ich entschuldige mich‹, ›Verzeih mir‹. Nehmen Sie sich vor, aus Ihren Fehlern zu lernen, ein besserer Mensch zu werden.« Hoffnungsfigur des Forschers ist der »Held«, der sich dem Zeitgeist und der Gruppendynamik entzieht. Unter anderem listet er als Helden in einer selbstentwickelten Typologie von zwölf Gruppen auf: Buddha, Franz von Assisi, Albert Schweitzer, Mutter Teresa, Gandhi, Jeanne d’Arc, Sokrates, Jesus, Madame Curie, Albert Einstein, Hans und Sophie Scholl. Sie alle sind auf ihre Weise über sich hinausgewachsen. Eine weitere Schlussfolgerung Zimbardos lautet: »Ich bin verantwortlich: Mit der Verantwortung für seine Entscheidungen und Taten übernimmt der Handelnde das Steuer, im Guten wie im Schlechten.« Anhand der Entwicklung der Publikationen von Zimbardo in den vergangenen 40 Jahren zeigt sich ein erfreulicher Trend in der psychologischen Forschung, Wörter wie »Fehler«, »Schuld«, »Verantwortung« und »Versuchung« wieder ernsthaft in den Mund nehmen zu können, ohne sofort ausspucken zu müssen.
    Verstärkung der Verdrängung durch Exkulpieren
    Keine Frage: Damit wir uns richtig wohl fühlen können, müssen Sündenböcke her: Schuld muss aufgelöst, versteckt, wegerklärt, verdrängt werden, Ausreden müssen produziert werden – das wird in der Psychologie »Exkulpieren« genannt.
    Heiko Ernst beschreibt in seinem unterhaltsamen Buch »Wie uns der Teufel reitet« unter der denkwürdigen Kapitelüberschrift »Ego me absolvo (Ich spreche mich los)« eine Litanei von sechs zeitgemäßen Ausreden. Nach seiner Beobachtung haben wir uns längst an die exkulpierenden Argumentationsfiguren gewöhnt und sie in unsere Denk- und Erklärungsschemata verinnerlicht. Etwa die große Ausrede des kulturell bedingten Werterelativismus (»Es gibt in einer modernen Gesellschaft keine für alle verbindliche Ethik. Jeder hat ein Recht darauf, dass seine Werte respektiert werden«), die genetisch-biologische Ausrede (»Ich kann nicht anders, ich habe halt ein Wut-Gen«), die Ausrede der nicht vorhandenen oder beschränkten Willensfreiheit ( »Das Gehirn hat seine Programmierungen und tut im Grunde nur, was es will, wir sehen das post facto als unseren Willen an« ). »Dann ist da noch die gute alte nietzscheanische Gott-ist-tot-These (›Religion ist eine Erfindung zur Gängelung der Starken, ich brauche keine Moral!‹) und schließlich die soziologischen Theorien der Anomie oder der Entfremdung (›Wir sind alle Opfer der Verhältnisse‹) oder der situationistische Ansatz der Sozialpsychologie (›Aus Normalbürgern werden unter bestimmten Bedingungen in kürzester Zeit Folterknechte‹).«
    »Ego me absolvo«: In der Tat, das Exkulpieren ist zum modernen Abwehrmechanismus schlechthin geworden.
    Nehmen wir die Erlebnisse des Heinrich Faust wieder auf, und spinnen wir sie weiter. Er ist nach all diesen Erlebnissen im ersten Teil wirklich traumatisiert, das können Sie sich ja vorstellen. Er ist verzweifelt: er hatte Gretchen liebgewonnen. Wie soll er mit diesem Verlust fertigwerden? Vielleicht entwickelt er sogar eine posttraumatische Belastungsstörung? Wie könnte jetzt eine Psychotherapie aussehen? Was genau sollte der Therapeut hinterfragen, wo ansetzen? Ist Heinrich Faust ein Opfer des hinterfotzigen Herrn Mephistopheles? Oder ein Opfer seiner spießigen Erziehung? Seiner Triebe, für die er ja nichts kann? Des Schicksals? Seines skrupulösen Über-Ichs? Hat vielleicht gar umgekehrt Gretchen mit ihrem unschuldigen Getue ihn verführt? Hat sie denn nicht schon sehr kokett mit ihm geflirtet? Ist ihm der Bruder
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