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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück
Autoren: Mary E Mitchell
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sich von seinem Stuhl. Er ist an die zwei Meter groß – bei ihm bekommt das Wort »starkknochig« eine ganz neue Bedeutung. Das Auftreten des Mannes hat etwas Aristokratisches, wie er die Schultern ein ganz klein wenig strafft, als er auf uns zukommt, wie die Knöpfe an den Manschetten seines gestärkten weißen Hemdes aufblitzen. Doch seine Hände sind rau, genau wie die von Mickey, und diese Hände wurden nicht in die Ärmel mit den Manschettenknöpfen hineingeboren. Metzgerhände.
    »Das also ist die berühmte Rosie Plow«, sagt er, und seine Stimme klingt sonor und warm. Und dann nimmt er mich in die Arme, und auch seine Umarmung ähnelt der von Mickey. Ich entspanne mich, vielleicht aus Erschöpfung, vielleicht aber auch, weil dieser Moment auch nicht seltsamer ist als jeder andere an diesem eigenartigen Tag.
    »Das mit Ihrer Großmutter tut mir so leid«, flüstert er mir ins Ohr, und ich glaube ihm. »Michael hat mir erzählt, wie sehr Sie an ihr hingen.«
    Tränen durchfeuchten die Brust seines schönen, sauberen Hemdes. Ich weiß, ich sollte etwas erwidern, doch meine Verwirrung hat mich sprachlos gemacht. Andererseits hat es auch etwas Befreiendes, sprachlos zu sein. Man muss nichts tun, außer die beiden Männer anzustarren, die einen jetzt anlächeln.
    »Bitte setzen Sie sich«, sagt Mickeys Vater, und ein Stuhl taucht hinter mir auf, in den Mickey mich hineindrückt. »Ich weiß, dass Sie nicht lange bleiben können«, sagt Ham senior und setzt sich mir gegenüber auf seine Seite des langen Mahagonitisches. »Aber es freut mich wirklich sehr, die Frau zu treffen, die Michaels Herz erobert hat.«
    »Michael?«, gelingt es mir zu murmeln, doch der Mann in dem weißen Hemd betrachtet mich weiter, beurteilt mich mit seinem scharfen, aber freundlichen Blick. Sein Schreibtisch ist wunderschön. Schweres, geschnitztes Holz, das edel gemasert und auf Hochglanz poliert ist. Überall an den cremefarbenen Wänden hängen Gedenktafeln und Porträts, und ich brauche nicht lange, um dasjenige von Mickey in einem strengen, dunklen Anzug zu finden. Es hängt gleich neben dem seines Vaters.
    Anscheinend werden meine Augen immer größer. »Alles in Ordnung?«, fragt Mickey und drückt meine Schulter. Wieder starre ich auf den Schreibtisch. Ein Briefbeschwerer aus Waterford-Kristall steht darauf, zwischen zwei Füllfederhaltern. Eine vergoldete Münze mit eingestempeltem SaveWay-Logo schwebt darin. Ich werfe einen Blick auf die Gravur: 75 JAHRE. Ich sehe zu Mickey auf.
    »Genau«, sagt er und legt die Hände auf meine Schultern. Und da kapiere ich, dass mein Metzgerfreund in Wahrheit Mr SaveWay junior ist.
    »Rosie«, sagt er, »ich habe dich nicht hergebracht, um dir von den Supermärkten zu erzählen. Nach unserer, du weißt schon, kleinen Tagung vor dem King Kullen musste ich dich einfach herbringen …«
    »Dem King Kullen?« Ham senior klingt beunruhigt.
    »Keine Sorge, Pops. Das war kein Verrat.« Sein Blick aus diesen wunderschönen Augen kehrt zu mir zurück. »Ich wollte dich schon seit Monaten mit hierher nehmen, Rosie, damit du meinen Vater kennenlernst. Jede Woche haben wir unsere Treffen, und ich kann von nichts anderem reden als von dir.«
    »Das stimmt«, bestätigt Ham senior. »Als Geschäftspartner war er nutzlos. In all seinen Berichten ging es nur um Sie. Frage ich ihn nach den Umsatzzahlen, antwortet er mir, wie schön Sie sind. Frage ich ihn nach dem Geschäftsbericht, antwortet er mir, wie humorvoll Sie sind.«
    »Aber …«, wage ich einzuwerfen.
    »Und jetzt sehe ich, dass er natürlich recht hat.« Mickeys Vater erhebt sich. »Aber ihr zwei müsst jetzt wieder los.« Er nimmt meine Hand in seine große Pranke. »Gehen Sie. Und nehmen Sie diesen Ham mit sich. Um Ihre Großmutter tut es mir aufrichtig leid.«
    »Willst du meine Wohnung in der Stadt sehen?«, fragt Mickey, als wir uns wieder der Throgs Neck Bridge nähern. »Ich könnte den Tunnel nehmen und sie dir ganz schnell zeigen. Sie ist im Village, und ab und zu kriegt man bei mir um die Ecke sogar einen Parkplatz.«
    Die Heizung im Wagen ist voll aufgedreht, doch ich zittere immer noch. Anscheinend stehe ich unter Schock. Mickey hat mir seine Skijacke um die Schultern gelegt, noch über meinen eigenen Mantel. Zum ersten Mal habe ich die Tageskarten für die Liftanlagen bemerkt, die am Reißverschluss baumeln. Mount Snow. Bretton Woods. Alle von letztem Jahr. Wer ist dieser Mann?
    »Rosie?«, sagt er. »Ich weiß, dass das Timing heute
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