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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück
Autoren: Mary E Mitchell
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einmal.
    »Ich habe dich immer dafür bewundert, wie du mit Milton und deinen anderen Schützlingen umgehst«, sagt er. »Das hat mir an dir von Anfang an besonders gefallen.«
    Ich schweige eine Zeit lang. Dann sage ich: »Ja, und wie kommt es dann, dass du nicht selbst Pädagoge oder Sozialarbeiter geworden bist? Statt, ähm, Metzger.«
    Mickey lacht. »Warte noch«, sagt er. »Gleich wirst du alles verstehen.«
    Eine Ausfahrt vor Merritt Parkway, der Panoramastraße, fahren wir ab. Ich kann es nicht glauben, dass er mit mir den ganzen Weg nach Danbury in Connecticut gefahren ist, ganze neunzig Meilen, um mich zu einem anderen SaveWay zu bringen. Er ist noch nicht mal so nett anzusehen wie der auf Long Island. Es ist ein älterer Supermarkt, nur etwa halb so groß wie der, in dem Ham arbeitet. Der bunte Neonschriftzug glitzert wie die zu protzigen Klunker einer begüterten Witwe. Die ganze Fassade sieht aus, als hätte man sie einer Schönheits-OP unterzogen, die nicht ganz gelungen ist. »Das hier war die erste SaveWay-Niederlassung«, erklärt Mickey und parkt seinen Wagen in einer Lücke in der ersten Reihe. »Komm. Lass uns hineingehen.«
    Irgendwann kommt sogar im Leben des geduldigsten Menschen der Moment, in dem er seine Geduld verliert, dann ist es einfach genug. Als ich auf den ersten aller Save-Ways blicke, wird mir klar, dass dieser Moment jetzt gekommen ist. Ich bin froh, dass Mickey findet, ich sei nett zu meinen Schützlingen, doch plötzlich bricht eine Welle der Müdigkeit über mich hinein. Und ihr auf den Fersen folgt das schlechte Gewissen, das ich empfinde, weil ich so weit weg von Pulkowski bin. Mein Hintern bleibt fest auf dem Beifahrersitz von Hams Wagen sitzen. Ich werde nirgendwohin gehen.
    Gestern ist meine Großmutter gestorben. Ich drehe mich zu Mickey um, der mir bereits die Tür aufhält, und erinnere ihn an diese Tatsache. »Bitte«, sage ich und höre die Erschöpfung in meiner Stimme, »bring mich jetzt nach Hause.« Zärtlich berühre ich eine seiner Koteletten. »Wir können unsere Angelegenheiten doch später klären. Nach Helens Beerdigung.«
    In Mickeys Augen blitzt etwas auf, das ich nicht verstehe, und meine Worte scheinen dieses Glitzern auch in keiner Weise zu beeinträchtigen. »Vertrau mir, Rosie«, sagt er. »Helen wäre begeistert hiervon. Sie würde wollen, dass du genau jetzt genau hier bist.«
    Ich atme tief aus. »Das glaube ich nicht.«
    »Bitte, Rosie. Gib mir nur zehn Minuten, nicht mehr, und dann bringe ich dich sofort nach Hause.« Er drückt mich kurz an sich und lässt mich dann wieder los. »Okay?«
    »Also gut.«
    Er streicht mit den Daumen über meine Wangen und lächelt. »Wie schön du bist«, sagt er. »Lass uns gehen.«
    Ich stolpere hinter ihm über den Parkplatz, die Arme eng um mich geschlungen, um nicht zu frieren. Als wir uns den Eingangstüren nähern, nimmt Mickey meine Hand und zieht mich zur Rückseite des Gebäudes.
    »Gehen wir nicht rein?«, frage ich.
    »Nicht ins Geschäft«, sagt er und zerrt an meiner Hand wie ein Kind. Er führt mich um die Ecke des Supermarktes. Und dann sehe ich es.
    Hinter dem Supermarkt, ganz am anderen Ende des Parkplatzes, erhebt sich ein dreistöckiges Bürogebäude mit verspiegelten Fenstern wie eine Fata Morgana. »Da«, sagt Mickey, und ich gehe so traumwandlerisch mit ihm wie Dorothy durch die Klatschmohnfelder in »Der Zauberer von Oz«. Mickey macht die Glastüren auf und führt mich hinein. Aus der Innentasche seines Sakkos zieht er eine Chipkarte und schiebt sie wie eine Visa durch den Schlitz einer weiteren Tür. Diese ist aus poliertem Holz und Chrom. Eine Frau in Helens Alter sitzt an einem Schreibtisch daneben und lächelt uns an. »Wie geht’s, Michael?«, fragt sie.
    »Gut, Jean«, sagt er, legt dann eine Hand auf meinen Rücken und schiebt mich durch die Tür. Er führt mich über einen kurzen, mit Teppich ausgelegten Korridor an einer Topfpflanze vorbei und klopft an eine Tür mit einem Messingschild. Er öffnet sie und ergreift dann meine Hand, damit ich ihm folge. »Bist du da?«, ruft er. »Pop?«
    Ganz am anderen Ende des großen Büros kann ich den Hinterkopf eines Mannes ausmachen. Ein mit dichtem weißen Haar bedeckter Kopf dreht sich um und offenbart das schöne Gesicht von …
    Ham.
    Das Gesicht ist älter und die Falten um den Mund sind tiefer, als der Mann lächelt, aber es besteht kein Zweifel daran, dass dieser Mann Mickey Hamiltons Vater ist.
    »Michael«, sagt der Mann und erhebt
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