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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück
Autoren: Mary E Mitchell
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Aufgabe ist wie die, die sie mir gegenüber hat.
    Jetzt kommt Milton in grenzenloser Begeisterung auf mich zugerannt. Ich blicke in sein schönes Gesicht und male mir aus, welche Pläne seine Eltern wohl für ihn hatten, als sie ihn Milton nannten. Ich muss daran denken, wie Teddy mich all die Jahre unserer Ehe begrüßt hat, wie er mir an Flughäfen, auf Partys oder in meinem Büro entgegengekommen ist, wie er darum gekämpft hat, den glücklichen Ausdruck auf seinem Gesicht zu verbergen, als wäre es wer weiß wie schlimm für seine Frau, zu wissen, dass sie ihm Freude bereitet. Teddy könnte eine Menge von Milton lernen, was nie an der juristischen Fakultät unterrichtet wurde. Zum Beispiel, wie Milton jetzt die Wagentür öffnet und mich zum SaveWay geleitet.
    »Du siehst sehr gut aus, Milton«, sage ich und bewundere das Hemd und das Jackett, während er hochrot anläuft.
    »Sie auch«, sagt er und achtet sorgfältig mit krampfhaft gefalteten Händen darauf, mich nicht anzufassen, so, wie es ihm beigebracht wurde. »Sie sind so schön, Miss Plow. So eine schöne Dame. Ich könnte Sie küssen …«
    »Aber Milton«, tadele ich ihn freundlich. »Denk immer daran, wie wir am Arbeitsplatz miteinander sprechen sollen.«
    »Ja«, sagt er zutiefst betrübt. Er legt die glatte Stirn in Falten, als wir den Rest des Parkplatzes überqueren. Milton fühlt sich ein bisschen zurechtgewiesen, ich fühle mich ein bisschen schön.
    Der Geschäftsführer hier wird »Ham«, also Schinken, genannt, weil er früher Metzger war. Das ist Jahre her, aber der Beigeschmack von Fleisch bleibt. Was nicht heißen soll, dass Mickey Hamilton nicht nett wäre. Meine Mutter liebt ihn. Er behandelt Milton gut. Er genießt den Anblick meiner sich wiegenden Hüften, wenn ich sein Zimmer betrete, genau wie einst Teddy, bevor er dem Reiz halb verhungerter Tussis wie Inga erlag. Es gibt diese Männer, die Frauen, an denen ein bisschen was dran ist, schätzen, auch wenn man in den Hochglanzmagazinen anderes liest. Doch selbst wenn Ham meine Figur gefällt, heißt das noch lange nicht, dass Milton seinen Job behalten wird. Damit es dazu kommt, muss Milton unbedingt aufhören, zu vertraulich mit den Kunden umzugehen oder Unsinn mit den leeren Zweiliter-Wasserflaschen zu treiben, etwa damit zu jonglieren oder Derartiges. Babys küssen verboten. Auch in der Floristenecke herumsitzen und sich zwischen den Rosensträußen niederlassen ist untersagt. Das alles sind Verhaltensweisen, die Milton lernen muss, wenn er seinen Job behalten will. Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich das Vergnügen aus seinem Leben vertreibe, nur damit der Rest von uns sich besser fühlt.
    »Das elektronische Auge sieht uns!«, teilt Milton mir aufgeregt mit, und wie auf Kommando gleiten die Glastüren auseinander. Seite an Seite gehen wird durch den Gang mit den Milchprodukten, vorbei an Bechern mit saurer Sahne, literweise Milch und Miltons Lieblingsprodukt, kleinen roten Käseecken mit lachenden Kühen.
    »Es gefällt mir einfach, wie sie mich ansehen«, gesteht Milton mir, als ich die Tür zu Mickey Hamiltons Büro aufschwinge.
    »Denk daran«, flüstere ich, den Mund ganz nah an seinen braunen Locken, »wie wir uns bei Arbeitsbesprechungen verhalten.«
    Unsere Augen stellen sich auf das Halbdunkel in dem fensterlosen Raum hinter der Käsetheke ein. Wir sehen Mr Hamilton an seinem Schreibtisch sitzen, der in Wahrheit ein zerkratzter Holztisch ist. Er ist so groß gewachsen, dass das Möbelstück zu klein für ihn aussieht. Er ist ein netter Geschäftsführer, Ende dreißig und mit einem freundlichen, uninteressanten Gesicht. Wie mein Vater hat er sein Diplom an der Schule der schweigenden Männer gemacht, er ist einer von diesen Typen, die nicht viel reden. Seine sandfarbenen Haare fallen ihm oft wie ein Vorhang vor die grauen Augen, wenn er mit einem spricht – fast, als wolle er sich dahinter verstecken. Nur eines muss man ihm lassen: Er hat einen knackigen Po.
    Beim Rascheln meines Rockfutters sieht er auf, und Milton, entschlossen, sein bestes Benehmen an den Tag zu legen, streckt ihm die Hand hin, welche Mr Hamilton ergreift und entschlossen schüttelt.
    »Wie geht es dir, Milton?«, fragt er höflich.
    »Mir geht es gut«, sagt Milton. Dann verdüstert sich sein Blick. »Aber ich muss mal auf’s Klo.«
    »Du weißt ja, wo die Toiletten sind«, sagt Ham zu ihm und vermeidet es, mich anzusehen. Wir schweigen beide, als Milton davonstapft. Keiner weiß,
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