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Seine junge Geliebte

Titel: Seine junge Geliebte
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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wird es doch laufend gemacht.«
    »Aber als Mann braucht er doch nicht schön auszusehen«, ereiferte sich die alte Schwester. »Er sollte es doch gelernt haben, die Falten, die er hat, mit Würde zu tragen.«
    Dr. Bruckner legte einen Arm um Schwester Angelikas Schultern. »Glauben Sie nicht, daß es ein wenig schmerzt, wenn die Oberkellner – oder wer auch immer – von seiner Freundin als von seiner Enkelin sprechen? Er möchte sich ihr angleichen, um nicht verspottet zu werden.«
    »Er sollte die Finger von ihr lassen!« Schwester Angelika schüttelte den Kopf. »Was denkt so ein alter Esel sich eigentlich? Kennen Sie das Mädchen?«
    »Noch nicht. Er hat sie mir bisher nicht vorgestellt.«
    »Wahrscheinlich weil er Angst hat, daß Sie sie ihm wegschnappen. Was ja durchaus möglich wäre, wenn sie hübsch ist?«
    Dr. Bruckner mußte lachen. »Sie wissen doch genau, daß ich niemandem die Freundin ausspanne. Und schon gar nicht einem Patienten. Wohin würde das führen!«
    »Man könnte sie sich ja einmal ansehen.« Dr. Heidmann schmunzelte. »Probeweise sozusagen! Ich hätte auch nichts dagegen, einmal wieder ein hübsches Mädchen kennenzulernen. Aber wahrscheinlich schirmt der alte Herr sie vor allen vermeintlichen Nebenbuhlern ab.«
    »Sie wollen diesen Sartorius wirklich operieren? Welche Operation wollen Sie denn durchführen? Face-Lift etwa?« Schwester Angelika ging zum Waschbecken, schaute in den Spiegel, der darüberhing, und zog mit Zeige- und Mittelfinger beider Hände die Haut nach oben, bis alle Falten verschwanden. »Wenn ich mir vorstelle, daß Sie bei mir eine Gesichtshebung durchführen würden, müßte ich lachen. Dann sieht man ja aus wie ein Chinese. Schauen Sie mal …« Die alte Schwester drehte sich um und präsentierte sich den beiden Ärzten mit ihrer gestrafften Gesichtshaut.
    »Ich glaube, Sie haben es noch niemals erlebt, daß nach einer Operation, die ich durchgeführt habe, ein Chinese herausgekommen wäre! Ich kann es nicht sagen, was ich mit ihm machen werde …«
    »Warum haben Sie ihn überhaupt herbestellt?«
    »Eben um mit ihm die Frage einer möglichen Operation zu diskutieren. Ich hatte ihn zunächst zu einem Psychiater geschickt.«
    »Zu einem Irrenarzt?« Erschrocken setzte sich Schwester Angelika hinter den Schreibtisch. »Ist der Mann denn nicht richtig im Kopf? Sie wollen uns doch so etwas nicht auf Station legen!« Protestierend streckte sie beide Hände aus.
    Thomas Bruckner griff nach seiner erkalteten Pfeife, die im Aschenbecher lag. Er steckte sie in seine Rocktasche und schaute Schwester Angelika lächelnd an. »Sie brauchen keine Sorge zu haben, daß ich Ihnen Patienten auf Station lege, die einen geistigen Defekt haben. Nein, ich habe ihn zu einer psychiatrischen Untersuchung geschickt, um festzustellen, ob er nicht an einer Neurose leidet. Sie sollten doch von meinen früheren Operationen her wissen, daß ich bei allen zweifelhaften Fällen immer einen Psychiater einschalte, der die Patienten untersucht. Nur so kann ich sicher sein, daß die Patienten nach dem Eingriff nicht noch kränker werden.«
    »Wie soll ich das nun wieder verstehen: noch kränker?« Heidmann setzte sich auf die Schreibtischkante.
    »Sie wissen doch, daß es Patienten gibt, die nach einer kosmetischen Operation unzufrieden sind, weil sie glauben, der Erfolg sei ausgeblieben. Die laufen dann zum nächsten Arzt, las sen sich umoperieren, sind wieder nicht zufrieden und belästigen auch noch einen dritten oder vierten. Das sind die Fälle, bei denen der Komplex nicht im körperlichen Fehler liegt, sondern im Gehirn fixiert ist. Da können Sie der beste Operateur der Welt sein und aus einem häßlichen Mann einen Adonis machen – er wird nie zufrieden sein!«
    »Und wie ist der Befund bei diesem Herrn –«, Dr. Heidmann mußte einen Augenblick nach dem Namen suchen, »Sartorius ausgefallen?«
    »Ich habe ihn noch nicht. Ich nehme aber an, daß der Patient ihn mitgebracht hat.«
    »Darf ich mitkommen, wenn Sie mit ihm sprechen?«
    Dr. Bruckner überlegte einen Augenblick. »Warum eigentlich nicht? Es ist ja üblich, daß man mit solchen Patienten unter vier Augen spricht. Aber wahrscheinlich ist es hier wirklich besser, ich habe einen Zeugen, damit der Patient nicht nachher behauptet, ich hätte ihm etwas Unmögliches versprochen. Sie aber –«, Dr. Bruckner klopfte der Schwester auf die Schulter, »bleiben lieber hier. Wenn eine Frau auftaucht, dann wird er nur befangen sein.«
    Dr.
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