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Sein letzter Fall - Fallet G

Sein letzter Fall - Fallet G

Titel: Sein letzter Fall - Fallet G
Autoren: Håkan Nesser
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alkoholisierten Vater herumzulatschen? Gott bewahre.
    Sicher?, wollte sie wissen. Du bist nicht traurig? Vielleicht können wir es nächstes Wochenende nachholen?
    Ja, ganz sicher, versicherte er ihr. Natürlich, genau betrachtet passte ihm das nächste Wochenende sogar besser. Er hatte im Augenblick ziemlich viel zu tun.
    Vielleicht glaubte sie ihm sogar, sie war trotz allem noch nicht so alt.
    Sie schickte ihm ein Küsschen durch die Leitung und legte auf. Er schluckte einen Kloß hinunter und zwinkerte die Feuchtigkeit fort. Ging nach unten zum Kiosk und kaufte die Allgemejne. Iss dein Frühstück und lies die Neuigkeiten, du verdammtes Weichei!, dachte er.
    Und das tat er dann auch.
    Ein paar Minuten nach neun war er am Aldemarckt in Linden, und eine Viertelstunde später hatte er den Kammerweg gefunden. Er parkte schräg gegenüber der Villa Zephir, kurbelte das Seitenfenster hinunter und stellte sich darauf ein, warten zu müssen.
    Linden war an und für sich kaum mehr als ein Dorf. Zwanzig-, dreißigtausend Einwohner schätzungsweise. Ein wenig Kleinindustrie. Eine ziemlich bekannte Brauerei, eine Kirche aus dem frühen 12. Jahrhundert – und eine Bebauung, die hauptsächlich nach dem Krieg entstanden war und sich aus Einzelhäusern und kleineren Mietblöcken zusammensetzte. Keine zu große Entfernung für Pendler von und nach Maardam. Er erinnerte sich daran, dass er einmal irgendwann in seiner Jugend ein Mädchen aus Linden kennen gelernt hatte; sie war kühl und schön gewesen, und er hatte sich nie getraut, sie zu küssen. Sie hieß Margarita, er überlegte, was wohl aus ihr geworden war.
    Ansonsten gab es nicht viel. Das träge dahinfließende Flüsschen Megel – auch das hübsch und wahrscheinlich ziemlich kühl und, soweit er sich erinnern konnte, ein Nebenfluss der Maar – schlängelte sich gemächlich durch den Ort und weiter durch die Hügellandschaft nach Nordwesten hin. Südlich des Wasserwegs verlief ein Bergrücken, und auf diesem lag der Kammerweg. Gut und gern vier Kilometer vom Lindener Zentrum mit Rathaus, Polizeistation, Markt und all diesen zivilisatorischen Erfindungen und Bequemlichkeiten entfernt. Und einer Kirche aus dem 12. Jahrhundert, wie gesagt.
    Und einer Brauerei, er registrierte, wie er langsam durstig wurde.
    Verlangen seufzte. Setzte sich die dunkle Sonnenbrille auf, obwohl es der Sonne bis jetzt noch nicht gelungen war, durch die grauweiße Wolkendecke zu brechen, und zündete sich eine Zigarette an. Spähte zum Haus hinüber, das mit Mühe und Not zwischen Baumreihen und dicht stehenden blühenden Büschen zu erahnen war, die sicher zur Straße hin gepflanzt worden waren, um den Einblick zu verhindern. Er versuchte den Marktwert zu schätzen.
    Nicht unter einer Million, zu dem Schluss kam er. Vermutlich nicht unter eineinhalb. Aber sie hatten es ja nur gemietet, wenn er Frau Hennan richtig verstanden hatte.
    Die Lage schien in vielerlei Hinsicht ideal zu sein. Ein großes Grundstück und eine Art Wald oder verwachsener Park auf der einen Seite. Ein mindestens genauso großes Grundstück auf der anderen, mit einer Hütte, die auch halb im Grünen begraben war. Er nahm an, dass hier die Trottas wohnten, die Pilotenfamilie mit den ungezogenen Töchtern, aber beschwören wollte er das natürlich nicht.
    Auf der anderen Straßenseite, dort, wo er parkte, gab es gar keine Bebauung, nur einen schroff nach unten verlaufenden Abhang, der auf einen asphaltierten Radweg führte, der wiederum neben einem Bach zur Stadt hin verlief.
    Ziemlich splendid isolation, stellte Verlangen mit einem automatischen Stich von Neid fest. Das Hennansche Haus selbst, das er da hinten kaum sehen konnte, war blassblau, nicht die schönste Variante an Hausfarben, die es gab, aber wen kümmerte das? Seine eigenen fünfundvierzig Quadratmeter enthielten mehr verdammte Nuancen, als Kandinsky es sich hätte erträumen können. Und außerdem ragte ein richtiggehend klinisch weißer Sprungturm ganz rechts auf dem Grundstück auf… ja, soweit er es beurteilen konnte, handelte es sich tatsächlich um einen Sprungturm.
    Also auch ein Pool. Und warum nicht ein Tennisplatz und ein reichlich bemessener Wintergarten auf der Rückseite? Er überlegte eine Weile, wie kompliziert es wohl sein würde, den ganzen Mist niederzubrennen – gern mit G. in den Flammen, während der Privatschnüffler selbst heldenmutig dessen junge Ehefrau daraus errettete und auf behänden Beinen mit ihr über der Schulter ins Freie sprang
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