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Sein letzter Fall - Fallet G

Sein letzter Fall - Fallet G

Titel: Sein letzter Fall - Fallet G
Autoren: Håkan Nesser
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werden.
Gentlemen’s Agreement. An eine feste Stelle war gar nicht zu denken gewesen, aber so langsam war mit der Zeit ein Auftrag zum anderen gekommen – meistens mit einem für die Gesellschaft erfreulichen Ergebnis –, und die Zusammenarbeit wurde fortgeführt. Wenn Verlangen seine spärlichen Einkünfte zusammenrechnete, konnte er feststellen, dass es ungefähr fifty-fifty war. Die Hälfte von der Versicherungsgesellschaft, die Hälfte aus anderen Privataufträgen.
    Er zündete sich eine Zigarette an, wahrscheinlich die vierzigste des Tages, und versuchte sich wieder das Bild der amerikanischen Frau ins Gedächtnis zu rufen. Frau Barbara Hennan. Siebenunddreißig, achtunddreißig? Älter konnte sie nicht sein. Also mindestens zehn Jahre jünger als ihr Ehemann.
    Und zehn Mal attraktiver. Nein, nicht zehn Mal. Zehntausend Mal. Wieso wurde jemand untreu, wenn er eine Frau wie Barbara hatte? Unbegreiflich.
    Er rauchte und dachte nach. War es wirklich so selbstverständlich, dass es das alte, übliche Motiv war? War Barbara Hennan, geb. Delgado, zu ihm gekommen, weil sie glaubte, ihr Mann könnte mit einer anderen Frau zusammen sein? Nach wenigen Monaten in dem neuen Land?
    Oder handelte es sich hier um etwas anderes? Und wenn ja, um was?
    Er hätte sie am liebsten geradewegs danach gefragt – hatte es im Laufe des Gesprächs ein paar Mal auf der Zunge gehabt, und normalerweise pflegte er in dieser Beziehung nicht um den heißen Brei herumzureden – aber irgendetwas hatte ihn zurückgehalten.
    Vielleicht nur der Wunsch, sie nicht zu beleidigen. Vielleicht gab es aber auch noch andere Gründe.
    Welche genau, darüber war er sich selbst nicht im Klaren. Jedenfalls nicht, als sie ihm auf der anderen Seite des Schreibtischs gegenüber saß, und auch jetzt nicht, während er hier in seiner staubigen Bude saß und sich zu erinnern und eine Strategie zu entwickeln versuchte.
    Strategie?, dachte er. Blödsinn. Ich brauche ja wohl keine Strategie. Ich fahre einfach morgen früh hin. Bleibe den ganzen Tag vor seinem Büro im Auto sitzen und glotze vor mich hin. Werde mich zu Tode rauchen. So, wie ich gealtert bin, wird er mich unter keinen Umständen wiedererkennen.
    Einfacher Job. Klassisch, wie gesagt. Wenn es ein Film wäre, würde das Haus irgendwann so gegen halb fünf Uhr explodieren.
    Er trank sein Bier aus und überlegte, ob er sich noch eins genehmigen sollte, bevor er ins Bett ging. Im Laufe des Tages hatte er insgesamt acht konsumiert. Das war hart an der Grenze – die bei zehn verlief –, aber warum sich nicht ausnahmsweise einmal den Luxus eines guten Gewissens gönnen?
    Noch zwei gut? Irgendwo in ihm gab es natürlich eine Stimme, die zaghaft flüsterte, dass der Deal mit den zehn erlaubten Bieren am Tag wahrlich zu diskutieren wäre. Aber was soll’s, dachte er, alles ist relativ außer dem Tod und der Wut einer dicken Frau. So what?
    Letzteres hatte er irgendwo gehört. Wahrscheinlich vor ziemlich langer Zeit, zu einem Zeitpunkt, als er sich noch an Dinge, die in Büchern standen, erinnern konnte.
    Er rülpste und drückte die letzte Zigarette des Tages aus. Verrichtete seine Abendtoilette in gut einer Minute und krabbelte in sein ungemachtes Bett. Das Kopfkissen roch vage unsauber, nach alter, kranker Kopfhaut, schmutzigem Kummer oder Ähnlichem. Es nützte nichts, wenn er es umdrehte.
    Er stellte die Uhr auf sieben und löschte das Licht.
    Linden?, überlegte er. Wenn ich ein Zimmer im Hotel nehme, brauche ich zumindest ein paar Nächte lang nicht in schmutziger Wäsche zu schlafen.
    Fünf Minuten später schnarchte Maarten Baudewijn Verlangen mit offenem Mund.

3
    Belle rief genau in dem Moment an, als er aus der Dusche kam. Wie üblich genügte schon der Klang ihrer Stimme, um etwas in seiner Brust zu entfachen. Ein Irrlicht von Vaterstolz.
    Ansonsten gab ihre Botschaft nicht viel Grund zur Fröhlichkeit. Sie hatten vage verabredet, sich am Wochenende zu treffen. Einen Tag zusammen zu verbringen. Oder zwei. Er hatte sich darauf gefreut – auf diese düster zurückhaltende Art, auf die er sich immer noch traute, sich auf Dinge und Ereignisse zu freuen –, aber jetzt war stattdessen ein Bootsausflug zu den Inseln aufgetaucht. Ob es ihm etwas ausmachte…?
    Es machte ihm nichts aus. Wer war er denn, der das seiner siebzehnjährigen Tochter nicht gönnen würde, die er mehr als alles auf der Welt liebte, eine Bootstour mit Gleichaltrigen – statt mit einem verfetteten, vorzeitig ergrauten, leicht
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