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Seidene Küsse

Seidene Küsse

Titel: Seidene Küsse
Autoren: J Leheta
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sie, als der Zug an intensiv grünen Feldern, hügeligen Landschaften und sauberen Häusern vorbeisauste und sie ihrer einstigen Heimat Meter für Meter näher brachte.
    Auf manchen Feldern wurde bereits getrocknetes Gras zu mannshohen Pressballen verarbeitet, die von riesigen Maschinen ausgespuckt wurden. Noch vor zehn Jahren hatten ihre Eltern und sie selbst auf den Feldern geschwitzt. Sie sah förmlich vor sich, wie sie, mit einem Kopftuch, einer langen Hose und einem T-Shirt bekleidet, zusammen mit ihrer Mutter auf dem Heuwagen die Pressbüschel angeschlichtet hatte, während ihr Vater mit einer Gabel die Büschel auf den Heuwagen geworfen und ihr Bruder den Traktor gelenkt hatte. Damit das Stroh ihre Beine nicht zerkratzte, hatte sie immer lange Hosen getragen. Der Geruch von getrocknetem Gras schien bei dieser Erinnerung förmlich an ihrer Nase vorbeizuziehen. Dieser warme, würzige Duft, den sie heute noch genauso liebte wie damals. Der schönste Moment war für Sabrina damals gewesen, wenn der Vater den voll beladenen Heuwagen durch das Dorf gelenkt hatte. Meist waren die Äpfel herangereift an den Bäumen gehangen, und Sabrina hatte nur die Hand ausstrecken müssen, um eine dieser frischen Köstlichkeiten vom Baum zu pflücken.
    Wie immer hatten sich Cornelia und Sabrina viel zu erzählen, und selbst wenn sie zwei Wochen aufeinanderhocken würden, so würden ihnen die Gesprächsthemen nie ausgehen. Manchmal kam es Sabrina vor wie das Gegackere von Hühnern, und sie musste schmunzeln. Sie saßen nebeneinander im Auto, auf dem Weg in das Zweihundert-Seel en-Dorf ihrer Eltern, das nur einige Kilometer von Cornelias Elternhaus entfernt lag, als ihre Freundin und Cousine sie aus den Gedanken riss und fragte: »Freust du dich schon?«
    »Und wie! Vor allem bin ich gespannt, wen ich alles wiedertreffen werde. Schließlich war ich seit fast fünf Jahren hier auf keinem Fest mehr.«
    »Ich glaube, du möchtest jemand ganz Bestimmten gern wiedersehen«, meinte Cornelia und sah Sabrina kurz nachdenklich an, bevor sie sich erneut auf die Straße konzentrierte.
    »Ich glaube nicht, dass Hannes da sein wird«, erwiderte Sabrina. »Außerdem soll er ja eine Freundin haben. Hat mir jedenfalls Onkel Franz erzählt.«
    »Soso, das weißt du also schon. Und wieso sollte er dann nicht auf dem Fest sein?«, wollte Cornelia wissen.
    »Ganz einfach, weil man, sobald man einen Partner hat, nur am Samstag oder Sonntag auf das Fest geht. Am Freitag ist die Dorfjugend da, einige Casanovas und Übriggebliebene.«
    Cor ne lia lachte ein glocken hel les, fröh li ches Lachen, das auch Sabrina ansteckte.
    »Wir sind gleich da, dann werden wir ja sehen«, bemerkte Sabrina.
    Als sie die Scheune betraten, in der Bierbänke und Tische aufgestellt worden waren, schlug ihnen geballter Lärm entgegen. Immer wie der war Sabrina ver wun dert darüber, wie hoch der Geräuschpegel wurde, wenn einige hundert Menschen auf einem Haufen zusammen waren. Vorsichtshalber trug sie ihre lässige Jeans, die knapp das Knie bedeckte, aber auf ihre hohen Schuhe hatte sie nicht verzichtet und ebenfalls nicht auf das neckische Oberteil. Wenn sie mit ihrem wesentlich gewagteren Disco-Outfit eingelaufen wäre, dann hätte dies für reichlich Gesprächsstoff gesorgt, denn hier trugen fast alle Jeans. Ihre Haare umschmeichelten ihr Gesicht, und mit ihrer Figur konnte sie sich durchaus sehen lassen, wie sie vorhin mit einem Blick in den Spiegel festgestellt hatte.
    In der Scheune waren fast alle Bierbänke besetzt, und während sie langsam weiter hineingingen, um sich einen strategisch günstigen Platz zu suchen, grüßte Sabrina einige Leute, die sie kannte. Ihr Blick schweifte suchend umher, ob nicht doch irgendwo Hannes säße. Früher hatte er sie nie beachtet, heute würde sie ihm auffalten, da war sie ganz sicher. In der Stadt war sie herangereift und hatte ihr Äußeres verändert; selbst ihre Frisur war nach dem neuesten Chic geschnitten. Aber das Wichtigste war: Ihr Selbstwert gefühl hatte sich gestei gert, zumindest, was ihr Aussehen betraf. Da sie absichtlich etwas später losgefahren waren, blickten viele Augen zu ihnen herüber, während sie durch die schmale Gasse zwischen den Sitzbänken spazierten. Und genauso hatten Cornelia und sie es geplant.
    Sabrinas Magen schlug einige Purzelbäume, so freute sie sich auf das Tanzen. Die Blicke, die ihnen zugeworfen wurden, trugen ein Übriges dazu bei. So musste sich wohl ein Star fühlen, schoss es ihr durch
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