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Seidene Küsse

Seidene Küsse

Titel: Seidene Küsse
Autoren: J Leheta
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Nötigste einkaufen, verbrachte aber so viel Zeit im Supermarkt, wie Katja benötigte, um Essen für eine Woche anzuschaffen. Natürlich kannte ihre Schwester das Sortiment und die Position eines jeden Artikels auswendig, daran konnte es nicht liegen. Katja hätte all ein aus ihren übl ichen Vorräten diesen Osterbrunch bestreiten können. Hierin war sie ihrer Mutter doch ähnlich, denn die kaufte zum Beispiel das Obst immer noch steigenweise, obwohl außer ihr niemand mehr im Elternhaus wohnte. Auch jetzt hatte ihre Mutter wieder Unmengen von allem mitgebracht. Lag es daran, dass sie auf dem Land lebte und tief verwurzelte Versorgungsängste hatte? Katja stellte die Schüsseln ihrer Mutter auf den Tisch. Mamas berühmte Rote-Bete-Sup-pe, so viel, dass man damit einen Krieg überleben könnte. Mediterrane Stampfkartoffeln, die hervorragend zu Katjas Rührei pass ten.
    Was das Kochen betraf, war Katja definitiv die Tochter ihrer Mutter. Sie liebte Essen – Essen hatte für Katja fast denselben Stellenwert wie Sex, war genauso sinnlich und genussvoll, zeremoniell, verschwenderisch und hingebungsvoll. Auf Märkten von Lebensmitteln umgeben zu sein, war für sie ein erotisches Erlebnis. Katja konnte nicht an Kräutertöpfen vorbeigehen, ohne einmal mit der Hand darüberzustreichen und den Geruch tief einzusaugen. Der Duft von Thymian, Lavendel und Zitronenmelisse brachte Katjas Sinne in Wallung, ihren Körper zum Schwingen.
    Katja setzte sich hin. Die Plätze in Roberts Nähe waren alle schon besetzt. Obwohl die Kinder noch herumtollten und Ruth inzwischen vor dem Fernseher saß, häufte sich Katja von jeder Speise ein bisschen auf den Teller und begann zu essen.
    Das Wetter hielt sich. Ein milder, sonniger Frühlingstag, an dem Katja, die leicht verfroren war, zwar noch eine Jacke, aber keinen Mantel mehr brauchte. Seit sie sich erinnern konnte, gehörte die Eiersuche im Tierpark zur familiären Osterzere-monie. Sollte sie selbst einmal Kinder haben, würde sie ihnen diesen Stress ersparen. Katja hatte diesen Kampf um die beste Beute gegen tausend andere Kinder immer als armselig empfunden. Was wohl die Tiere von den Besuchern dachten, die außerhalb der Käfige auf die Jagd gingen?
    Nachdem Franziskas Mann Heinrich den Eintritt für alle bezahlt hatte – ein Vorteil ihrer gemeinsamen Ausflüge: sie bekamen einen Gruppentarif -, versammelte sich die ganze Familie zur Lagebesprechung. Und da waren die Kinder auch schon mit ihren Körben losgerannt. Ruth konnte ihnen gerade noch den Treffpunkt »Abenteuerspielplatz« hinterherrufen, da entbrannte unter den Er wachsenen bereits die Dis kus sion, wer welche Tiere sehen wollte.
    »Warum richten wir unsere Route nicht einfach nach den Shows?«, meinte Katja und übergab Robert das Faltblatt mit den Informationen. »Du führst uns.« Robert grinste und marschierte los.
    Man hätte glauben können, dass die Kinder, die sich hier tummelten, noch nie in ihrem Leben ein Osterei bekommen hatten. Zwischen ihren Beinen, neben, unter, hinter ihnen wuselten Kinder aller Altersgruppen und Nationalitäten. Sie waren gezwungen, sich in Zweiergrüppchen aufzuteilen. Katja lief schweigend neben Robert, rechts und links in den Gehegen nach den Tieren Ausschau haltend.
    Popcorngeruch, der sich mit dem strengen, fast scharfen Duft von Wildtierfell vermischte, wehte ihnen vom Kiosk im Eingang zum Affenhaus entgegen und weckte in Katja Kindheits erin ne rungen. Rosa und Franziska waren den Kin dern gefolgt, und Heinrich und ihre Mutter standen, in ein intensives Gespräch vertieft, vor dem Menschenaffengehege. Ein riesiger Silberrücken betrachtete sie aufmerksam durch die Plexiglasscheibe.
    Unvermittelt nahm Robert Katj as Hand und führte sie in Richtung Dschungelhaus. Schwer lag die Schwüle über dem dunkl en Urwald, der entl ang der schmal en, geschwungenen Wege wuchs und immer wieder Überraschungen preisgab.
    Jetzt erst, während Robert sie sehr entschlossen hinter sich herzog, nahm Katja sich Zeit, ihn genauer zu betrachten. Sie hatte ihn größer in Erinnerung. Vielleicht war sie ja noch gewachsen. Sein hellbraunes Haar war von ein paar silbernen Fäden durchzogen, die nur in diesem hellen Licht sichtbar wurden. Keine Lachfältchen, nein, Sorgen falten hatten sich über seiner Nase und auf seiner Stirn eingegraben. Aber das gab seiner jungenhaften Erscheinung eine gewisse Reife.
    Katja war bekannt für ihre Direktheit. »Was ist passiert?«
    »Meine Frau ist gestorben.«
    Da war es
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