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Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927

Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927

Titel: Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927
Autoren: Willy Seidel
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»Flucht meiner Fenster«, von Jünglingen in Golfhosen begutachtet werden. Zuweilen klemmt sich einer im Jockeisitz auf ein metallenes Biest, das Gestank und Krach von sich spritzt, und schnurrt ab. Aufatmend denkt man: Gottlob, einer weniger, dann kommt er schon wieder um die Ecke herumgefegt und füllt die »stille Seitenstraße« von neuem mit Detonationen. Es hört sich an wie ein frischfröhliches Konzert fabrikneuer Maschinengewehre. Man streichelt die Tiere, stochert in ihnen herum, gibt ihnen Ölinjektionen und läßt sie dann, zur Abwechslung, leer laufen. Ich stehe in Pyjamas in einem der französischen Fenster, und der Ritz der halbgeöffneten Damastportiere blendet mich. Die bauchigen Scheiben Seiner Eminenz von drüben beschießen mich mit funkelnden Lanzen. Vom Asphalt spült eine Welle von Benzin- und Teergeruch herauf. Wo habe ich doch schon solchen Lärm gehört, solche Gerüche gespürt? – – – Ua, schammâm!! – – zieht ein geisterleises Gebrüll vorüber mit Hitze und orientalischer Sonne . . . Haremsweiber . . . Melonen . . . Aha, das Frühstück. Ein schönes Melonenfrühstück . . .
    Es klirrt hinter mir. Welch neckische Telepathie! – Ich schnelle herum: da steht die alte Afra vollkommen ratlos mitten in dem unaufgeräumten Möbelkram, wie eine Sibylle zwischen Trümmern, und hält in ihren hölzernen Händen ein Tablett wie eine Opfergabe. Zuweilen schnupft sie auf, dann beben die Hände, dann gibt es das silberne Glöckchenspiel. Ihre ausgebleichten Augen fangen meinen Blick auf; ihre Oberlippe, von grauen Härchen geschmückt, wie eine Kellerwand von Schimmelfädchen, zieht sich in langsamem Grinsen auseinander. All die Leberfleckchen und Daunenwarzen geraten in trägen Fluß. Und dann entringt sich ihrem verdorrten Brustkasten folgende morgendliche Begrüßung, heiser und monoton:
    »Dreimal waar i scho' herin g'wen, Herr Dokta; un' jetz' woaß i imma no net, wo i dees Zoigs hitoa sui . . .«
    »Danke schön, Afra. – Hätten Sie's halt auf den Teetisch gestellt.«
    Sie dreht sich stumm nach Nordnordwest.
    »Am Dätisch?«
    »Ja freilich. – Der ist doch wie gemacht dafür.«
    » Drum «, spricht sie befriedigt. Ein mystisches Wort. Sie folgt der Suggestion und ladet alles fein säuberlich, mit viel Vorsicht in den Knochenfingern, darauf ab. Ich raffe einen Klubsessel heran und mache mich ans Schmausen: zwar keine Melonen, aber ein Ei mit Semmeln und sehr dünnem Kaffee. Sie steht stockstill, die Hände parallel den Schürzenfalten, wie ein Grenadier. Ich fühle, daß sie einiges auf dem Herzen hat; daß sie reden will. Sie räuspert sich mehrmals und schnupft auf, wobei sie mich wohlwollend betrachtet. Ich blicke sie fragend an; das alte Wesen fühlt nun die Zunge gelöst.
    »I hamas scho denkt, daß Sie am Dätisch ees'n wuin«, bekennt sie mit knarrendem, nun etwas höherem Organ. » Drum hob' i ›drum‹ g'sagt.« Sie meckert und schnalzt an den Stockzähnen. – Mit dem Daumen über die Schulter: »Raama S' heit no ei?«
    »Ja freilich, Afra; ich räume heute noch ein. – Den Dienstmann hole ich mir gleich nachher.«
    »Am Promenadenplatz is oana; da Zacherl. – Den kunnten S' glei braucha.«
    »So, so. – Danke.«
    »I hol' Eana 'n Zacherl. I muaß eh umi zem Eihol'n.«
    Pause. – Sie ist ohne Zweifel angeregt. Ein neuer Mieter! – –
    »Na, nehmen Sie schon Platz, Afra. Ich hoffe, wir vertragen uns gut.«
    Das alte Wesen läßt sich auf der Kante eines entfernteren Sessels nieder, mit mädchenhaftem Zieren, voll verschollener Gesten. Sie fährt mit den Händen an ihrem schwarzen Kammgarnfähnchen herab, als sei es ein bauschiger Faltenrock von Anno Eins. – »Hom S' guat g'schlaffa, Herr Dokta?«
    »Nicht besonders.«
    »Dees glaab' i scho', Herr Dokta.« Etwas wie Verschmitztheit erwacht in den ausgebleichten Augen. »Dees wer'n S' no oft erlem, doß die zwoa an Krach mach'n bei der Nacht. D' Linda is a Luda; de is ganz spinnat. Mondsucht hot's, hoaßt's; und die Gnäfrau is aa net vüi besa.«
    »So, so. – Ich bin mit den Damen noch nicht näher bekannt.«
    »Dees derf'n S' g'wiß glaam, Herr Dokta, dos i net hetz'n wui. Oba i moan halt, es ko nix schad'n, wann i Sie a biserl vorbereit'. Damit S' net erschreg'n. De zwoa san ganz narret. I waar scho längst weg von den Plotz. I find' oba nixen mehr; i bi an olta Pason un' ko' den Deanst grad' no dakraft'n. Die Gnäfrau is Eana a ganz a Scharfe. De lost ka Mannsbild net so leicht aus, des wo
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