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Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927

Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927

Titel: Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927
Autoren: Willy Seidel
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ihr die Atmosphäre die Kehle eingedrückt. Das Geschnarr schlägt brutal in die Stille. Schwer erschrocken höre ich das Geräusch abebben und versickern. Man will hier keine Zeit. In der ganzen Umgebung nistet die Zeitlosigkeit und streckt ihre Schattenfaust zu mir herein . . .
    Mit einem mißtrauischen Blick auf die Uhr, die ihren alten Beruf dort weiterzuheucheln scheint, ziehe ich mich, von plötzlichem Frösteln gepackt, zurück. Ich knipse den Saallüster aus und gewinne, mit Hilfe eines fadendünnen Lampenstrahls von draußen, den Weg ins Schlafzimmer. Kaum bin ich dem Schacht von Raum entronnen, so spricht es aus der Finsternis hinter mir drein wie ein Kichern. Rührt sich, im Schutz der Schwärze, die Zunge der Dinge? – Nervös lausche ich. Dies Haus ist so voll von Ungesagtem . . . Hat mich das verrückte Weib angesteckt? – Oder diese lebend geisternde Mumie, die Afra? – Wieder höre ich das Kichern – doch nein, es ist ein halbes Ächzen darin. Ich stelle auch fest, daß es nicht aus dem eben verlaßnen Saal kommt, sondern anderswoher. Es kommt aus der Wand hinter dem Kopfende meines Bettes hervor. Nach Untersuchung dieser Wand stelle ich eine Tapetentür fest, geschickt, schier unsichtbar eingefügt, und mache mir klar, daß das Schlaf- und eigentliche Wohnzimmer von Frau Bibescu an das meine grenzt. Offenbar redet sie im Schlummer. Doch halt: es sind zwei Stimmen. Die ihre und eine andere, quäkende. Es ist ein Zwiegespräch, offenbar mit Linda, der Tochter, die ich bis jetzt noch nicht zu Gesicht bekommen habe. Ich muß dies Geräusch hören, ob ich will oder nicht; um wenigstens eine kostenlose Unterhaltung herauszuschlagen, spitze ich das Ohr.
     ». . . no, und wie schaut er denn aus? – So red' doch, Mutter!«
    »Blond ist er. – Blond.«
    »Uh jeh! – Ich hab' mir schon gedacht, daß du auf einen Blonden fliegst.«
    »Mein Kind, deine Ausdrucksweise ist, unter uns gesagt, bisserl ordinär.« Scharf: »Ich flieg' nicht. – Merk' dir das.«
    »No ja.«
    »Unerhört, von der Mutter zu sagen, ›sie fliegt‹. – Der Herr ist nicht unsympathisch. Das ist mein Empfinden. Weiteres findet sich.«
    »Wie alt ist er denn beiläufig?«
    »Beiläufig – no – so an dreißig, dreißig-fünf herum . . .«
    »Drum . . .«
    »Jetzt gewöhnst dir das blöde ›Drum‹ ab. Überlaß das doch der Afra! – Er könnt' auch älter sein, solang' er zahlt. Interesse für das Automatische hat er. Wegen Horoskop und Sternzukunft fühl' ich ihm noch auf den Zahn.«
    »Du bist ihm natürlich gleich mit Papa ins Gesicht gesprungen, Mutter. Das vertragt doch nicht jeder. Da wird er kopfscheu.«
    »Da haust' daneben. Er hat gleich zugegriffen. Vielleicht ist er selbst medial. Hätt'st sehn sollen, wie atemlos interessiert . . .«
    »Ja was noch. Aus Höflichkeit. Innerlich hat er sich gedacht: ›Jetz' das ist einmal eine spinnige Person, eine zudringliche . . .‹«
    Ein unmelodisches Aufkreischen im andern Bett: »Was sagst du da wieder! – Fratz, unverschämter . . .«
    Eine heftige Erwiderung, gar nicht mehr in Tuschelform: »Is ja wahr! Ich darf immer an die Türritzen hinhängen! Nie stellst du mich jemand vor! Ich hätt's anders gemacht, gewiß ja! Staad hätt'st sein müssen, Mutter, und schön schweigsam vom Wetter red'n. Gleich herausgekehrt, die Privatgeschichten, und übermorgen zieht er aus. Wirst sehn. Das hab' ich nachher von der ›guten Tochter‹. Ich will auch einmal ein zweibeinig's Mannsbild sehn. Immer der alte Trottel von Baron . . .«
    Jetzt entsteht ein großes Matratzenknacken und ein Geräusch wie ein Klaps auf etwas Unbekleidetes. Ein Schnaufen klingt auf wie ein Schluchzen, und daraus gebiert sich die mütterliche Stimme, etwas heiser: »Von wem du das nur hast! Die ordinären Ausdrück'. Von mir nicht und vom Papa nicht. Und der hört dich, hört dich! Der ist gegenwärtig hier im Zimmer; schier spür' ich ihn; wie er sich schämen muß in sein' Zwischenzustand, sein' hilflosen, daß er dir keine runterhaun kann!« – Klatsch; kissendumpfes Wimmern – (oder ersticktes Gelächter?) – »So ein vornehmer Mann, der Baron Meerveldt! So ein düskreter! Und das gütige Interesse für seine kleine Linda! ›Welch ein interessanter Fall‹ ist sein drittes Wort . . . Und was tut der Fratz, der ausgekochte? Nennt ihn einen Trottel! Aber paß auf, du! – Paß auf!«
    »Ich paß schon auf, Mutter«, erwidert jetzt die weinerliche Stimme. »Aber schau, ich kenn'
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