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Sei schlau, stell dich dumm: Biographie

Sei schlau, stell dich dumm: Biographie

Titel: Sei schlau, stell dich dumm: Biographie
Autoren: Bastei Lübbe
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gleich um die Ecke. Zweimal über die Straße und schon war ich da.
    Alle anderen Kinder – und ich meine ALLE – kamen von weiter her und wurden natürlich gebracht und abgeholt. Aber so richtig das volle Programm: Auto vorfahren, reinbringen, Jacke und Schuhe ausziehen, Abschiedsküsschen und am Nachmittag alles in umgekehrter Reihenfolge: Begrüßungsküsschen, Schuhe und Jacke anziehen, raus zum Auto und Abfahrt in der Familienkutsche. Ich war echt oft neidisch und hätte mir einen weiteren Heimweg gewünscht, damit ich auch mal abgeholt werden würde.
    Schlüsselkind
    Als Kind war ich früh schon sehr selbstständig. Durch die Arbeit in der Kneipe kam meine Mutter immer erst in der Nacht nach Hause und hat morgens natürlich geschlafen. Da war es für mich als Kind ganz logisch, dass ich mich oft alleine fertig machte, also anzog, frühstückte und dann zur Schule ging.
    Ich war eben ein typisches Schlüsselkind und wunderte mich fast, dass es in anderen Familien auch anders ging. Da saß die Familie morgens um sieben zusammen am Tisch: Mama, Papa, Kind(er). Die Mütter machten heißen Kakao mit frischer Sahne und andere tolle Sachen, wie arme Ritter, French Toast, Pfannkuchen mit Äpfeln, Rührei, Müsli mit frischen Früchten. Aber was man nicht kennt, das vermisst man eben auch nicht. Und eine Stulle bekam ich immer noch alleine hin.
    Vielleicht hatte ich keine »normale« streng behütete Kindheit, mit betüddeln und umsorgen von morgens bis abends. Aber es ging uns gut. Auch wenn immer mal die Fetzen flogen, waren und sind wir ein gutes Team, meine Geschwister, meine Mama und ich. Bei uns war eben alles nur ein bisschen anders als bei anderen. Ich habe meine Hausarbeiten zum Beispiel ganz oft nachmittags in der Kneipe meiner Mama gemacht. Ob das der ideale Ort dafür war, darüber lässt sich sicher streiten, aber es war zumindest nicht der falsche Ort und Mama hatte einen Blick darauf. Und wenn sie was nicht wusste (zugegeben, das war ab der zweiten, dritten Klasse nicht selten der Fall), konnte immer einer der Gäste helfen. Ich hatte also gleich ein ganzes Rudel von Nachhilfelehrern, kostenlos wohlgemerkt.
    Ich würde das heute sicher alles anders machen, aber meine Mama hat sich das damals ja auch nicht so gewünscht, die konnte eben nicht anders. Und außerdem: Meine Vergangenheit hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Und ich bin im Großen und Ganzen ganz happy mit mir. Also, danke Mama!
    Und Mama hatte immer ein offenes Ohr: Einmal bin ich nach Hause gekommen – aus dem Kindergarten – und habe Mama gefragt, warum man denn Aua zwischen den Beinen kriegt, wenn der Frühling kommt. Sie hat mich angeguckt, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank (das ist mir danach noch oft mit ihr passiert). Erst nach einem längeren Verhör und äußerst konsequentem Nachfragen klärte sich die Sache auf. Wir hatten im Kindergarten gerade das Lied Winter adé, scheiden tut weh gelernt, dessen Sinn mir absolut nicht einleuchtete.
    Das Wort Scheide kannte ich nämlich nur in einem anderen Zusammenhang. Das hatte ich schon früh gelernt. »Mama, was ist eine Fotze?«, wollte ich wissen, als ich mal vom Spielplatz kam, wo ich das Wort aufgeschnappt hatte. Mama klärte mich auf, Fotze ist ein böses Wort für Scheide. Meine kindliche Schlussfolgerung: Scheiden tut weh – aua, aua, lass es bitte immer Winter bleiben. Schon damals funktionierte so die typische Katzenberger-Logik.
    So legte ich die ersten Typen flach
    Ich wollte früher immer unbedingt zum Eiskunstlauf. Das fand ich toll. Diese kurzen Kleidchen, das viele Make-up. Ich als Eisprinzessin. Ein Sport wie gemacht für mich. Und wo bin ich gelandet? Beim Judo! Warum? Ganz einfach: Hauptsache in Reichweite. Zur Schlittschuh-Halle hätte Mama mich fahren müssen und dafür hatte sie keine Zeit. Versteh ich ja auch, da sie immer voll berufstätig war. Da kann man eben die Kinder nicht noch hin und her chauffieren.
    Logisch, denke ich heute. Damals wollte ich das nicht verstehen. Wenn du als kleines Mädel ein Wunschhobby hast und alle um dich rum machen das, worauf sie Lust haben, dann ist das schon scheiße, wenn du statt Pailletten-Röckchen in einen zu weiten Pyjama ohne Knöpfe schlüpfen musst. Aber das wurde mit Mama nicht lange ausdiskutiert. Insofern bin ich – nicht ganz freiwillig – schon sehr früh flachgelegt worden. Ich hab’s dann beim Judo bis zum gelborangen Gürtel geschafft. Einen Griff kann ich heute noch. Und glaubt mir, das
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